Stadt Kempen Ausweg aus der "digitalen Diaspora"

Stadt Kempen · Die massive Kritik der Schulleitungen der weiterführenden Schulen in Kempen hat ihr Ziel nicht verfehlt. Die Stadt will jetzt möglichst schnell eine WLAN-Infrastruktur aufbauen. Der Schulausschuss stimmte dem Plan zu.

Die Kritik in der Sitzung des Schulausschusses Mitte Februar hatte die Politiker in ihrer Schärfe überrascht. In einem Positionspapier hatten die Leiterinnen und Leiter der weiterführenden Schulen die digitale Infrastruktur an ihren Bildungseinrichtungen als völlig unzureichend bezeichnet. Uwe Hötter, Leiter der Gesamtschule, sprach in diesem Zusammenhang von der "digitalen Diaspora", in der man sich in Kempen befinde. Die Pädagogen legten einen Forderungskatalog vor, der am besten bereits zum Beginn des kommenden Schuljahrs umgesetzt werden sollte.

Eine Verbesserung der digitalen Infrastruktur - insbesondere eine leistungsfähige Ausstattung mit WLAN - bis Mitte August erschien zwar unrealistisch, die Kritik hat dennoch ihre Wirkung nicht verfehlt. Schuldezernent Michael Klee legte zu Beginn der jüngsten Sitzung des Schulausschusses einen Beschlussvorschlag vor, der bei Politik und Schulleitungen gleichermaßen auf Zustimmung stieß.

Einstimmig wurde die Stadtverwaltung beauftragt, an den Schulen mit Hilfe des Kommunalen Rechenzentrums Niederrhein möglichst schnell eine WLAN-Infrastruktur aufzubauen und entsprechende Endgeräte zu beschaffen. Der Stadtrat muss dem Plan am 27. Juni zwar noch zustimmen, aber dies ist nach dem Votum des Schulausschusses nur noch eine Formsache.

Für die WLAN-Ertüchtigung der weiterführenden Schulen kalkuliert die Stadt rund 100.000 Euro. Sie greift dabei auf Erfahrungswerte beim Aufbau der entsprechenden Infrastruktur in den Kempener Grundschulen zurück. Die Kosten sollen über Geld aus dem Landesprogramm "Gute Schule 2020" finanziert werden.

Weitere 90.000 Euro werden für die Anschaffung notwendiger Endgeräte kalkuliert. Davon könnten den fünf weiterführenden Schulen in Kempen insgesamt neun Klassensätze Tablet-PCs zur Verfügung gestellt werden.

Allen Beteiligten ist klar, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Denn eine Bestandsaufnahme der IT-Ausstattungen in den Kempener Schulen, die das Schulverwaltungsamt auf Antrag der FDP-Stadtratsfraktion vorgenommen hat, zeigt, dass die digitale Infrastruktur alles andere als gut ist. FDP-Ratsherr Jörg Boves sprach in diesem Zusammenhang von einem "Wirrwarr an Betriebssystemen", die es in den Schulen derzeit gibt. Und die sind größtenteils veraltet. Zudem ist das Leitungsnetz zu schwach und muss dringend aufgerüstet werden.

Ein Problem ist, dass die IT-Ausstattung der Schulen in Kempen bislang nicht von einer zentralen Stelle im Rathaus koordiniert worden ist. Vielfach hätten sich dankenswerterweise die Fördervereine der Schulen finanziell engagiert und Computer beschafft, sagte Dezernent Klee. Der Nachteil: Es wurde für die Schulen keine einheitliche Ausstattung beschafft. Das soll sich jetzt aber ändern.

Was die Leistungsfähigkeit des Breitbandnetzes betrifft, verhandelt die Stadt derzeit mit Anbietern. Bereits in den Sommerferien sollen die Kapazitäten erweitert werden. IT-Experten sollen parallel entsprechende Vorschläge für die einzelnen Schulen erarbeiten.

In den Schulleitungen wird der Plan der Stadtverwaltung begrüßt. Sigi Strohe, Leiterin der Erich Kästner Realschule, freut sich, dass endlich Bewegung in die Sache gekommen ist. Ihre Kollege Hötter (Gesamtschule) bekräftigte die Forderung vom Februar: "Wir brauchen eine Qualitätsoffensive für unsere Schulen."

Aus Sicht der Stadt ist es wichtig, dass die geplante WLAN-Infrastruktur für alle bekannten EDV-Systeme geeignet ist. Dahinter steckt der Plan, dass künftig Kinder und Jugendliche ihre eigenen Geräte (zum Beispiel Tablet-PCs) zum Unterricht in der Schule mitbringen können.

Die Schulen selbst müssen ihre pädagogisch-didaktischen Konzepte auf die neue digitale Infrastruktur umstellen. Dazu ist das Lehrpersonal bereit. Viel Überredungskunst hätte es dazu nicht bedurft, berichtete Gesamtschulleiter Hötter. Die Kolleginnen und Kollegen würden sich auf diese Aufgabe freuen.

Der Politik ist klar, dass es sich bei dem jetzt verabredeten Plan nicht um eine Einmalaktion handelt, sondern dass man in den kommenden Jahren ständig an der digitalen Infrastruktur und deren Verbesserung beziehungsweise Aktualisierung wird arbeiten müssen. CDU-Ratsherr Wilhelm Stückemann brachte es auf den Punkt: "Es muss in den nächsten Jahren weitergehen, um jeweils auf dem aktuellen Stand zu bleiben", sagte er. Günter Solecki (Linke) meinte, dass man mit den nun beschlossenen Mitteln erst die Briefmarke bezahlt habe für das dicke Paket, das es zu schnüren gilt.

(RP)
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