Video über die Barrierefreiheit Rapper im Rollstuhl testet Kempen

Stadt Kempen · Wie barrierefrei ist Kempen? Diese Frage stellt sich Rollstuhlfahrer Markus Maiwald. Dazu komponierte er einen Rapsong. Er möchte nur Hinweise geben, nichts anprangern, sagt er. Das Video ist bei Youtube zu sehen.

 Mit seinem Video möchte der im Rollstuhl sitzende Rapper Markus Maiwald darauf hinweisen, dass Barrierefreiheit längst keine Selbstständlichkeit ist.

Mit seinem Video möchte der im Rollstuhl sitzende Rapper Markus Maiwald darauf hinweisen, dass Barrierefreiheit längst keine Selbstständlichkeit ist.

Foto: norbert prümen

Markus Maiwald ist 30 Jahre alt, erlitt bei der Geburt Sauerstoffmangel und ist seit dem siebten Lebenjahr auf den Rollstuhl angewiesen. Der Wuppertaler ist im Kreis Viersen geboren, lebt heute im Bergischen Land und arbeitet in einem Callcenter. Seine große Liebe ist der Rap. Bei einem Festival lernte er André Sole-Bergers von der Lebenshilfe Kreis Viersen kennen. Es entstand die Idee, ein Video über die Barrierefreiheit in Kempen zu drehen.

Maiwald komponierte dazu einen Song, vertextete ihn, und unter der Regie von Sole-Bergers entstand das Video, das nun bei You Tube zu sehen ist. Der Titel lautet "Bis du behindert?" - eine Frage, die sich (gesunde) Schüler oft im Scherz stellen, ohne über den Hintergrund nachzudenken. Partner des Projekts ist das Luise-von-Duesberg-Gymnasium, dessen Lehrerin Dr. Annette Steinhoff als Sonderpädagogin Kontakte zur Lebenshilfe hat. Sole-Bergers suchte nämlich Statisten für sein Video, eine Gruppe von Schülern war sofort begeistert von der Idee.

Im Video sieht man, wie Maiwald mit seinem Rollstuhl in der Kempener Innenstadt unterwegs ist. "Das ist einmal ein ganz andere Ansatz, um auf das Thema Barrierefreiheit aufmerksam zu machen", sagte er gestern im Gespräch mit der RP. Er lebe zwar inzwischen in Wuppertal, habe aber Verwandte und Bekannte in Kempen. Was er da regelmäßig erlebt, ist Bestandteil des Songs, in dem es heißt: "Bin ich zu Besuch bei Freunden und Bekannten, begegne mir zu hohe Bordsteine und Kanten." Mit der Barrierefreiheit in Kempen sei es nicht zum Besten bestellt, meint der Rollstuhlfahrer, besonders in der Altstadt: "Aber hier ist es auch besonders schwer, etwas zu ändern", räumt er ein. Es habe sich schon etwas getan, "aber das geht langsam". Ärgern tut sich Maiwald, wenn vorhandene Rampen viel zu steil für einen Rollstuhlfahrer sind. Das ist für ihn ein Zeichen, dass die Erbauer nicht auf die Idee gekommen sind, vorher einmal Kontakt zu einem Behinderten aufzunehmen.

Auf die Probleme eines Rollstuhlfahrers Hinweisen

Sole-Bergers betont, welch großes Problem es in Kempen für einen Behinderten sei, wenn er einmal zur Toilette muss. Es sei auch ohne fremde Hilfe unmöglich, in einer Kneipe ein Bier zu trinken. Im Video sieht man Maiwald in seinem Rollstuhl vor Arztpraxen, die er ohne Aufzug unmöglich erreichen kann. Fahrpläne hängen so hoch, dass ein Rollstuhlfahrer nicht die geringste Chance hat, an die gewünschten Daten zu kommen. Das gilt auch für viele Geldautomaten. Da stehen Rollstuhlfahrer ratlos vor Bussen, wenn keiner ihnen hilft. Die Lvd-Schüler, die bei dem Dreh dabei waren, seien zunächst eher zurückhaltend gewesen, sagt Sole-Bergers. Während das Video gedreht wurde, hat sich bei ihnen aber ein gewaltiger Wandel vollzogen: "Der Blickwinkel hat sich verändert, die Jugendlichen gehen jetzt anders durch die Stadt. Das ist ein Zeichen, dass die Botschaft angekommen ist", sagt Annette Steinhoff.

Viele Leute haben sich das Video bereits im Internet angeschaut und wurden vielleicht erst dadurch auf nach wie vor akute Probleme aufmerksam gemacht. Viele haben ihre Hilfe angeboten. "Wir wollen mit diesem Video nicht meckern und nichts anprangern. Was wir wollen, ist, auf die Probleme eines Rollstuhlfahrers hinzuweisen, wo genau die Mängel liegen", sagt Maiwald.

Er selber führt damit seinen musikalischen Weg fort, mit seinen Rapsongs Botschaften zu transportieren. Oft war er in der Vergangenheit politisch unterwegs, wies auf bestehende Missstände hin und machte sie transparent. Damit will er in Zukunft weitermachen, er möchte im Kleinen anfangen, um vielleicht Großes zu erreichen. Damit alle verstehen, was er im Video fordert: "Ja, ich bin behindert, hab' ein Handicap. Zeit, dass Ihr checkt, sind alle gleich im Endeffekt."

Bei den Dreharbeiten entstanden neben dem Video auch zahlreiche Fotos. Die Lebenshilfe plant, sie in einer Ausstellung zu zeigen. Ort und Termin stehen aber noch nicht fest.

(RP)
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