Stadt Kempen Das Schmuckkästchen Weberhaus

Stadt Kempen · Der St. Huberter Heimatverein tut eine Menge, um die Traditionen zu erhalten. In rührender Kleinarbeit haben Mitglieder das alte Weberhaus restauriert. Früher klapperten im Ort rund 600 Webstühle.

 Wermer Bovenschen (links) und Josef Güldenbog an Spinnrad und Webstuhl, zwei typischen Utensilien für das Weberhaus.

Wermer Bovenschen (links) und Josef Güldenbog an Spinnrad und Webstuhl, zwei typischen Utensilien für das Weberhaus.

Foto: Wolfgang Kaiser

In den Jahren 1857 und 1858 baute Conrad Dehmers in der Bürgermeisterei St. Hubert ein typisches Weberhaus. Von Beruf war er Zimmermann und wie es früher hieß Ackerer, also Bauer. Als "Ackerer" könnte man getrost auch den Heimatverein St. Hubert bezeichnen, wenn es darum geht, den Acker, sprich den Boden, und somit die Heimat zu erhalten, diesen auch für die nachfolgenden Generationen aufzuarbeiten. Da kam den Heimatfreunden das genannte Weberhaus gerade recht. Sie kauften es, machten es mit intensiver Muskelhypothek in den Jahren 2001 bis 2003 zu einem Schatzkästchen.

Gerade kramt Werner Bovenschen (73) im Weberhaus an der heutigen Königsstraße 48 in alten Unterlagen. Er findet im "Hubertus-Boten", der seit November 1966 allmonatlich vom Heimatverein herausgegeben wird, die Ausgabe Nummer 437 von Dezember 2002. Damals hat Bovenschen, der dem Vorstand seit 1977 angehört und der stellvertretende Vorsitzende ist, selbst über die Chronik des Weberhauses geschrieben.

 Wie beengt man früher gelebt hat, davon zeugen auch kleinere Wohn- und Schlafräume.

Wie beengt man früher gelebt hat, davon zeugen auch kleinere Wohn- und Schlafräume.

Foto: Kaiser Wolfgang

"Zur damaligen Zeit, als das Haus entstand, dürften es rund 600 Webstühle gewesen sein, die im heutigen St. Hubert geklappert haben", erinnert Bovenschen an die Blütezeit der Haus- und Handweberei, die dann um 1900 aufgrund der Mechanisierung auch im Kendeldorf immer mehr zurückging. Jedenfalls kam es dem Heimatverein mehr als gelegen, als das Weberhaus 2001 zum Verkauf anstand. Der Heimatverein kaufte noch im gleichen Jahr, machte das Haus zu einem Denkmal, restaurierte und arbeitete über 4000 Stunden, ehe es der Öffentlichkeit im Dezember 2003 übergeben werden konnte.

Dabei fing alles mit 1050 Talern an. Das war nämlich der Kaufpreis, den direkt nach Fertigstellung Zimmermann Dehmers verlangte. Schon im Juni 1858 wurden somit die Eheleute Johann Heinrich Theissen und Catharina Elisabeth Gisbertz die neuen Eigentümer. Über 50 Jahre lebte dort die Familie Theissen, ehe es 1910 in das Eigentum der Eheleute Matthias und Katharina (geb. Kniepen) Ehren überging; zuletzt wohnte dort bis zu ihrem Tod 2001 Elisabeth Ehren.

 Floristin Karin Schubert pflegt mit ihrem Mann Frank nach wie vor den von Buchsbaumhecken eingefassten Bauerngarten.

Floristin Karin Schubert pflegt mit ihrem Mann Frank nach wie vor den von Buchsbaumhecken eingefassten Bauerngarten.

Foto: Kaiser Wolfgang

Das Weberhaus ist im Laufe der Zeit die gute Stube des Heimatvereins geworden. Dieter Doetsch hieß früher der vereinseigene Baumeister, der mit seinem Team und mit etwa 4000 Arbeitsstunden das Haus wieder begehbar und erlebbar machte. Dass das Haus der Nachwelt erhalten wurde, lag aber auch an Fördergeldern der NRW-Stiftung, der Stiftung der Sparkasse Krefeld "Natur und Kultur" sowie an der Volksbank Krefeld.

Regelmäßig führt nach wie vor Werner Bovenschen durch das Haus, in dem früher gelebt und vor allem gesponnen worden war. Darin erinnert ein alter Webstuhl von 1920, der dem Heimatverein von der Paramenten-Weberei Gotzen (Krefeld) zur Verfügung gestellt wurde. Auch bei den Tagen der offenen Tür wird dort fleißig gesponnen, sind weitere Gerätschaften ausgestellt, mit denen zum Beispiel früher der Flachs gebrochen und die Fäden auf das Spinnrad gezogen wurden. Sogar die Kinder können sich dort an ein kleines Spinnrad setzen.

Das ist aber in dem Weberhaus noch längst nicht alles, was man besichtigen kann. Wie beengt man früher gelebt hat, davon zeugen auch kleinere Wohn- und Schlafräume. In früheren Zeiten wusste man übrigens sofort Bescheid, wenn ein Bewohner verstorben war. Heimatvereins-Vorsitzender Hans-Josef Güldenbog (72) zeigt auf ein altes Toten-Brett, das früher unmittelbar nach dem Tod eines Hausbewohners draußen an die Tür oder ans Fenster gestellt wurde.

Der Heimatverein nutzt weiterhin die Tage des Denkmals oder der offenen Tür, um im Weberhaus alte Handwerkskünste zu präsentieren. Im oberen Geschoss sind weitere Wahrzeichen aus dem alten St. Hubert zu sehen - angefangen von sakralen Gegenständen, Fronleichnams-Fahnen bis zu alten Truhen oder Bildern von Chören, Schützen und anderen Gemeinschaften. Darunter ist unter anderem der Kegelclub der "Stölle Jonges", den es immer noch gibt und der mittlerweile mit den nachfolgenden Generationen seit über hundert Jahren besteht.

Im Weberhaus findet auch für Kindergarten-Gruppen oder Grundschul-Klassen eine Art heimatkundlicher Unterricht statt. Standesamtlich trauen kann man sich dort nach wie vor. Ein früheres Trauzimmer hieß "Knippen Stuev". In Erinnerung an den aus St. Hubert stammenden Monsignore Toni Knippen, der im März 2013 im Alter von 98 Jahren verstorben war. In der "Knippen Stuev" ist auch altes und einst vom Monsignore genutztes Mobiliar zu sehen.

Draußen am Haus kann man bei angenehmer Witterung entspannen: Floristin Karin Schubert pflegt mit ihrem Mann Frank nach wie vor den von Buchsbaumhecken eingefassten Bauerngarten.

(RP)
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