Stadt Kempen Den "Kempen-Standard" hinterfragen

Stadt Kempen · Die Kempener Stadtverwaltung sei besonders bürgerfreundlich, sagt der Bürgermeister. Im Rathaus werde häufig sehr umständlich gearbeitet, sagt der Gutachter. Was steckt dahinter? Eine Analyse.

Volker Rübo ist ein Mensch, der sich Kritik sehr zu Herzen nimmt. Anmerkungen zu seinem Führungsstil im Kempener Rathaus nimmt der Bürgermeister oftmals sehr persönlich. Und doch ist er auch so selbstkritisch zu sagen, dass er zuweilen Fehler macht. Diese Selbsteinschätzung ist eine gute Basis, sich mit dem Bericht der Kommunalberatungsfirma "Allevo" ehrlich auseinanderzusetzen.

Nachdem die Experten Grundzüge ihrer Organisationsuntersuchung der Kempener Stadtverwaltung in der jüngsten Ratssitzung öffentlich vorgestellt hatten, zeigte sich der Bürgermeister und Verwaltungschef bereits selbstkritisch. Auch er und seine Kollegen in der Verwaltungsspitze hätten Fehler gemacht. "Wir haben uns in Einzelheiten verloren, haben bei widersprüchlichen Meinungen, Standpunkten und Auffassungen, die als solches nichts Schlechtes sind, zu wenig zu klaren Entscheidungen gefunden", sagte Rübo. Er gilt als sehr erfahrener Verwaltungsfachmann. Aber als Bürgermeister mit der letzten Entscheidungskompetenz hat er in der Vergangenheit zu wenig mit der Faust auf den Tisch geschlagen und bei Meinungsverschiedenheiten im Beigeordnetenkollegium eine schnelle Entscheidung selbst vorgegeben. Nicht selten, so berichten Insider, hat sich der Bürgermeister selbst mit Problemlagen befasst, die eigentlich zuvor in den Amtsstuben schon hätten geklärt werden müssen.

Um nicht missverstanden zu werden: Volker Rübo ist ein guter Bürgermeister für Kempen und seine Bürger. Dass er nun eigene Fehler einräumt, dürfte ihm nicht leicht gefallen sein. Gleichzeitig ist er aber auch so selbstbewusst zu sagen, dass man die Vorschläge der Beratungsfirma sorgsam prüfen werde. Rübo beruhigt die Beschäftigten im Rathaus. Niemand werde wegrationalisiert. Schließlich haben die Gutachter bei ihren vielen Gesprächen mit den Stadtbediensteten festgestellt, dass es im Rathaus ganz viele motivierte Mitarbeiter gibt, die sich mit ihrer Arbeit und der Stadt Kempen identifizieren.

Ein Knackpunkt neben einer unzureichenden EDV-Ausstattung und der beengten räumlichen Situation in den Amtsstuben ist auch, dass viele Mitarbeiter zu wenig Eigenverantwortung haben. Wenn drei Rathausbeschäftigte sich mit einem Verwaltungsvorgang beschäftigen und am Ende der Bürgermeister selbst mit ins Boot steigt, wird dabei viel überflüssige Arbeitskraft und -zeit vergeudet. Auch da gilt es für die Verantwortlichen anzusetzen.

In den kommenden Jahren werden viele Beschäftigte der Stadt in Ruhestand gehen, auch in der Dezernentenriege stehen mit dem Technischen Beigeordneten Stephan Kahl und dem Ersten Beigeordneten Hans Ferber zwei Spitzenbeamte vor der Pensionierung. Etliche Amtsleiter sind bald im Rentenalter. Das gilt es zu beachten. Dieser Umstand ist - und das haben die Gutachter auch betont - als Chance zu begreifen für die angestrebte Strukturreform.

Wichtig in dem nun beginnenden Prozess ist - auch darauf weisen die Experten hin - , die interne Kommunikation deutlich zu verbessern. Dies gilt für Kommunalverwaltungen ebenso wie für die so genannte freie Wirtschaft: Wenn Führungskräfte nicht regelmäßig mit ihren Mitarbeitern reden und sich über Arbeitsaufträge auf den aktuellen Stand bringen lassen, kann leicht etwas schief laufen. Wichtig ist dabei aber auch, dass die Chefs ihren Mitarbeitern Freiräume lassen und Verantwortung übertragen. Allzu viel Kontrolle kann nämlich genauso hinderlich sein.

"Wir müssen das Richtige für unsere Verwaltung selbst herausfinden", sagt der Bürgermeister und liegt damit völlig richtig. Den Königsweg gibt es nicht, dafür sind die Problemlagen in den Kommunalverwaltungen doch oftmals zu verschieden. Wichtig ist allerdings, dass der nun angestoßene Prozess nicht auf die berühmte lange Bank geschoben wird, sondern dass die Verantwortlichen im Rathaus ernsthaft die Umsetzung der empfohlenen Veränderungen prüfen und gegebenenfalls zügig umsetzen.

Der Politik kommt die wichtige Aufgabe zu, den Prozess kritisch zu begleiten und - sollten Veränderungen nicht erkennbar werden - nachzuhaken. Die Politik muss allerdings auch zurückstecken, darf die Verwaltung nicht mit überflüssigen Aufträgen überziehen. Sie muss ein besonderes Augenmaß für das Machbare entwickeln.

Alle Beteiligten - nicht zuletzt die Bürger selbst - müssen sich möglicherweise auch daran gewöhnen, dass sich künftig liebgewordene Abläufe ändern. Denn auch die so genannten "Kempen-Standards" sollten auf den Prüfstand. Dabei sollte es dabei bleiben, dass die Stadtverwaltung vor allem bürger- und kundenfreundlich agiert.

(RP)
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