Stadt Kempen Der Altkanzler war allgegenwärtig, Zigarette und Aschenbecher auch

Stadt Kempen · Jürgen Schmude erinnert sich an die Zeiten mit Helmut Schmidt.

 Jürgen Schmude sprach mit RP-Redakteur Ludger Peters über seinen politischen Weggefährten Helmut Schmidt.

Jürgen Schmude sprach mit RP-Redakteur Ludger Peters über seinen politischen Weggefährten Helmut Schmidt.

Foto: wolfgang kaiser

Es war still im Kempener Rokoko-Saal. Ursula Dortans-Bremm und Jutta Hetges spielten mit Querflöte und Gitarre leise Töne, so das "Be Thou With Me" von Johann Sebastian Bach. Was so viel heißt wie "Bist du bei mir". Und man hatte zumindest in den eineinhalb Stunden das Gefühl, er wäre noch mittendrin. Gemeint ist Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, für den die Kreis-SPD einen Abend des Gedenkens veranstaltete.

Helmut Schmidt war vor etwa 80 Gästen, darunter neben Landrat Andreas Coenen und Bürgermeister Volker Rübo, viele SPD-Funktionsträger aus dem gesamten Kreisgebiet, natürlich auf großen schwarz-weißen Bildern allgegenwärtig. Neben dem Kondolenzbuch fehlten auch nicht die Zigarette und das Feuerzeug. Und viele Seiten des Buches waren schnell gefüllt. "Du warst immer für mich ein eindrucksvolles Vorbild", "Du hast mich sehr geprägt" oder "Danke, alles Gute, wo immer du auch jetzt sein magst", ist unter anderem zu lesen.

Vorne in den schwarzen Sesseln befragt wenig später RP-Redakteur Ludger Peters den ehemaligen SPD-Bundesminister Jürgen Schmude (79) über seine Begegnungen und Eindrücke mit und von dem oft kühl und distanziert wirkenden 96 Jahre alt gewordenen Hanseaten. Einige andere Wegbegleiter hören aufmerksam zu: so Erwin Stahl (84, SPD-MdB von 1978 bis 1982) oder Julius Louven (82, CDU-MdB, 1980 bis 2002).

Auch Ex-MdB Walter Schöler (1992 bis 2005) war da. Neben dem derzeitigen SPD-Abgeordneten im Berliner Parlament, Udo Schiefner, der eingangs die Gedenkrede hielt, von einem überragenden Sozialdemokraten spricht und ergänzt: "Seine Gradlinigkeit hat stets Vertrauen erzeugt und ihn, obwohl er das selbst nie wollte, zum Vorbild für viele gemacht." Schiefner erinnert daran, dass Schmidt sich stets für eine offene Gesellschaft und für eine starke Europäische Union aussprach. Mehr denn wünschten sich sowohl Schmidt als auch Schiefner, dass diese Europäische Union auch den Herausforderungen der heutigen Zeit, wie Finanzkrise, Terror, Flüchtlingsströme, klug und mit Weitsicht begegne. Schiefner zum Abschluss: "Wir verneigen uns vor einem der bedeutendsten politischen und intellektuellen Köpfe unseres Landes." Obwohl Jürgen Schmude, der von 1978 bis 1982 erst Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, dann Justizminister und im Jahr 1982 sogar 15 Tage lang auch Innenminister war, Helmut Schmidt nie auf seinem Segeltörn auf dem Brahmsee in Schleswig Holstein begleitete, war er doch dicht an ihm dran. Schmude erinnert sich noch an die erste Begegnung 1969 bei einer Fraktionssitzung mit dem gerade gewählten neuen Fraktionsschef Schmidt. "Ich hatte ihm eine Frage zum deutschen Waffenhandel gestellt, hatte mich nicht so gut vorbereitet und wurde von ihm so richtig abgebürstet."

Schmude schätzt sein "lockeres und freundschaftliches Verhältnis" zu Schmidt, seine ungeheuren Arbeitseifer und seine Intelligenz. Einige Male sei es damals vorgekommen, dass seine Fachminister, denen schon früher die parlamentarischen Staatssekretäre zuarbeiteten, die seitenlangen Vorlagen nicht so gut kannten wie Schmidt selbst. Schmude dazu: "Wenn manche Wirtschaftskapitäne so arbeiten würden, wie es Schmidt getan hat, wäre zum Beispiel die VW-Panne nie passiert." Es kommt im Gespräch von Ludger Peters mit Jürgen Schmude zu einer interessanten Politik-Stunde, bei der es natürlich auch um die außerparlamentarische Opposition, um den Nato-Doppelbeschluss oder um das Scheitern der SPD/FDP-Koalition 1982 geht. Bestätigen konnte Schmude nicht, dass sich Schmidt seinen Parteikollegen gegenüber nie so richtig geöffnet habe; dazu der Ex-Bundesminister: "Wehner war früher schwer zu entschlüsseln, Schmidt aber überhaupt nicht."

Schmude erinnerte noch daran, dass trotz so unterschiedlicher Auffassungen zu Teilen des eigenen Parteiprogramms für Helmut Schmidt nie in Betracht gekommen sei, die SPD zu verlassen: "Und dies wünsche ich mir generell von den Parteimitgliedern, egal ob CDU, SPD oder FDP, dass sie ihre Mitgliedschaft nicht so leichtfertig wegwerfen, denn wir brauchen dringend eurer aller Engagement." Abschließend erinnerte noch Hörfunk-Redakteurin Ursula Gormanns an die ersten Jahre des näheren Kennenlernens von Helmut und Loki Schmidt.

(wsc)
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