Stadt Kempen Der Charme kapverdischer Melancholie

Stadt Kempen · Aus dem Sommerurlaub zurückkehrt und mit den ersten braunen Blättern auf dem Weg, mag es schon wieder die Sehnsucht nach südlichem Flair gewesen sein, die die Kempener in großer Zahl in die Paterskirche getrieben hat. Dort nämlich sang am Dienstagabend Nancy Vieira mit ihren drei gitarrespielenden Companheiros, und sie ist eine Spezialistin für Sehnsucht. In Guinee-Bissau geboren und aufgewachsen auf den Kapverden, lag ihr das Fernweh schon im Blut, bevor sie die erste Note sang. Inzwischen zählt sie zur Créme der kapverdischen Musik und zu den jungen Stars der portugiesisch-sprachigen Welt.

 Am Tag nach dem Kempener Konzert trat die kapverdische Sängerin Nancy Vieira in der Jazz Schmiede in Düsseldorf-Bilk auf.

Am Tag nach dem Kempener Konzert trat die kapverdische Sängerin Nancy Vieira in der Jazz Schmiede in Düsseldorf-Bilk auf.

Foto: GOTTFRIED EVERS

Nach einem leichtfüßig zwischen Portugal und Brasilien changierenden Instrumental begann sie mit einem entschärften Bossa Nova-Rhythmus, ließ den wahrlich unwiderstehlichen Zauber ihrer Altstimme spielen, und eine Männerstimme sang sanfte Echo-Zeilen dazu. Flotte Walzer-Takte, ein Schuss TexMex, eine Prise kubanischer Son, kreolische Rumba und manches mehr tauchte nach und nach in den Liedern auf, denn auf den windigen Inseln vor der afrikanischen Küste lebt man von Hause aus multi- und interkulturell. Exotische Reize gingen auch von den unterschiedlichen Instrumenten aus. Osvaldo Dias spielte eine Gitarre normaler Größe und Bauart, Rolando Semedo ein ganz auf Bass-Töne ausgelegtes Exemplar und José António Soares eine Cavaquinho, eine viersaitige Mini-Gitarre sozusagen. Und diese Kombination erlaubte den stilistischen Streifzug um mehr als die halbe Welt in einem schlüssigen, aber nie eintönigen Sound. Und dazu sang Nancy Vieira in der typisch kapverdisch entspannten Art von Familiengeschichten, von Liebe und Sehnsucht, von Fernweh und der Frau, die zuhause auf das Sterben wartet, während all ihre Lieben nach und nach das Land verlassen. Und nicht mal in diesem tieftraurigen Titel dramatisierte sie in mediterraner oder Latino-Manier, sondern erinnerte plötzlich an Sting und Songs von seinem fantastischen Album "Nothing Like The Sun". Auch davon war viel in ihrer Musik, obschon die Mornas - die Lieder - von kapverdischen Autoren wie B. Leza und Eugénio Tavares, Teofilo Chantre und Tutin d'Giralda stammten. Es ist ihre erste Tournee durch Deutschland, erzählte sie, es war ihr drittes Konzert hier und ihr erster Auftritt überhaupt in einer Kirche. Und da stand diese leichte, aber keineswegs seichte Muse und ließ das Publikum in der Wärme ihres Klangs schmelzen wie Butter unter afrikanischer Sonne. Schade, dass die Konzerte der Weltmusikreihe immer nur eine Stunde dauern.

(mojo)
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