Kreis Viersen Der direkte Draht zum Parlament

Kreis Viersen · Der SPD-Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner hat sich bewusst für die Arbeit im Petitionsausschuss entschieden. Ruhm ernte damit keiner, sagt er. Aber der Ausschuss sei die nahezu wichtigste Verbindung zu den Bürgern.

Kreis Viersen: Der direkte Draht zum Parlament
Foto: Marco Urban

Wer in ein Parlament einzieht, landet als Neuling meist auch im Petitionsausschuss. Viel Arbeit, viel Ärger, selten einmal Meriten. Kein Korrespondent hält Abgeordneten wegen einer Petition das Mikrofon unter die Nase, die TV-Kameras suchen sich andere Motive. "Wer nach Ruhm strebt, ist da falsch", sagt Udo Schiefner. Der SPD-Abgeordnete aus Kempen ist auch Novize, er wurde im Herbst 2013 erstmals in den Bundestag gewählt. Dass er auf eigenen Wunsch dem Petitionsausschuss angehört, verwundert immer noch Kollegen. Mancher dürfte lächeln, vielleicht sogar spötteln.

Schiefner ficht das nicht an. "Ich habe mir das selbst ausgesucht. Ursprünglicher kann parlamentarische Arbeit doch gar nicht sein. Inhaltlich wird da alles hineingepackt, was die Menschen bewegt." Jeder Einwohner der Bundesrepublik er muss keinen deutschen Pass haben - kann sich mit einer Petition an das Parlament wenden. Ja, oft sind es kleine persönliche Probleme, die Menschen da vor Parlamentariern ausbreiten. "Das unmittelbare Umfeld von Menschen ist eine Ebene. Da geht es um als ungerecht empfundene Rentenbescheide, um Konflikte mit der Krankenkasse, weil die beispielsweise einen Rollstuhl nicht bewilligt - man sollte meinen, das sei doch nichts für einen Bundestagsabgeordneten. Ich sehe das anders. Oft verbergen sich hinter diesen Eingaben Hilferufe, die wir nicht überhören sollten. Viele Menschen sind inzwischen überfordert mit mancher Situation. Manchmal reicht es, ihnen etwas zu erklären. Wenn wir helfen können - umso besser."

Oft erreichen den Ausschuss aber auch Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung. Schiefner erinnert sich an die umstrittene Vergütung von Hebammen und ihren Konflikte mit Versicherungen. Die Angeordneten einigen sich darauf, bestimmte Themenschwerpunkte zu bearbeiten. "Hier kann nicht jeder alles machen", erklärt der Kempener. Er hat sich, weil er Mitglied im Verkehrsausschuss ist, auf diesen Schwerpunkt konzentriert, bearbeitet aber auch Tierschutz, Umweltschutz, Lebensmittelrecht (aus der früheren beruflichen Praxis in einer Brauerei heraus) sowie Steuerrecht. "Wir werden oft gebeten, unlogische Dinge zu regeln. Kuhmilch wird mit sieben Prozent besteuert, Sojamilch mit 19 Prozent. Wenn man weiß, dass Menschen wegen einer Allergie von Tier- auf Pflanzenprodukte umsteigen müssen, dann ist das nicht logisch."

Das Petitionsrecht ist für Schiefner eines der stärksten Instrumentarien der Bürger. Es sollte nicht aufgeweicht werden, sagt er. Online-Petitionen, die rechtlich absolut keine Wirkung haben, und wenn sie noch so viele Unterstützer für eine gute Sache finden, steht er ablehnend gegenüber. Das sei reine Augenwischerei und der Versuch geschäftstüchtiger Leute, sich als Relais zwischen Bürger und Parlament zu schieben. "Die Bürger können sich in Wahrheit unmittelbar an uns Parlamentarier wenden. Das muss so bleiben. Ein formloser Brief an die Geschäftsstelle des Ausschusses genügt bereits. Wer mehr Wirkung erzielen will, kann online seine Petition direkt einstellen. Findet eine Petition innerhalb von vier Wochen 50 000 Unterstützer, dann geht sie in die öffentliche Beratung des Ausschusses. Jeder Bürger aber kann sicher sein, dass seine Eingabe ernsthaft bearbeitet und in jedem Fall beantwortet wird." Im Ausschuss gibt je ein Vertreter der Regierungsfraktionen und einer der Opposition ein Votum ab. Einigt man sich auf "abschließen", wir das Thema nicht weitergereicht, sondern nun abschließend bearbeitet. Die Eingabe kann aber auch als "Material" dem zuständigen Ministerium weitergereicht werden. Besondere Wirkung entfalten Petitionen, deren Inhalt dem jeweiligen Ministerium zur Umsetzung aufgegeben wird. Da geht es dann wirklich um Grundsätzliches, was sich später im Gesetz wiederfindet.

Die Arbeit sei mitunter sehr mühsam, räumt Schiefner ein. Sie erfordere Stehvermögen an und in der Sache und eine bis zur Lästigkeit reichende Beharrlichkeit. Manchmal ist sie auch unerfreulich. "Ja, es gibt Petitionen, die mit ganz massiven Drohungen losgeschickt werden. Davon darf man sich aber nicht beeindrucken und schon gar nicht einschüchtern lassen", sagt Schiefner. Auch die Polizei müsse schon mal diskret aufpassen auf den einen oder anderen Abgeordneten.

(RP)
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