Stadt Kempen "Der Keller schwankte wie eine Schiffsschaukel"

Zur Zeit des vernichtenden Angriffs vom 10. Februar 1945 wohnte die 1924 geborene Kempenerin Margarete van der Gieth an der Ecke Möhlenring/Ellenstraße; also in dem Teil Kempens, der von den Bomben schwer verwüstet wurde. Margarethe van der Gieth ist im vergangenen Jahr 90-jährig gestorben.

 Margarethe van der Gierth während des Krieges.

Margarethe van der Gierth während des Krieges.

Foto: van der Gierth

"...Die Sirenen heulten Voralarm, und ich konnte bereits die schweren Flugzeugmotoren hören. Ich rannte mit ein paar Habseligkeiten auf dem Arm ins Vorderhaus, wo ich die Nachbarin herunter rief und mit ihr in den Keller stürmte. Mein Vater, sonst in Köln bei der Reichsbahn beschäftigt, lag - an Grippe erkrankt - zu Hause in der Küche auf dem Sofa, denn das war der einzige Raum, in dem geheizt wurde. Dass mein Vater krank in der Küche lag und trotz des Alarms auch dort liegen geblieben ist, sollte sein Todesurteil bedeuten.

Unter den Bombeneinschlägen schwankte der Keller wie eine Schiffschaukel. Sofort waren die Kellerfenster von außen verschüttet und wir saßen in völliger Finsternis.

Nach einiger Zeit - es mochte wohl eine halbe Stunde vergangen sein - hatte sich die Lage offenbar beruhigt und wir versuchten hinauszukommen, was uns nach vielen Mühen auch gelang. Wir mussten die Kellertür aufdrücken und zunächst die nachfallenden Trümmer beiseite schaffen. Oben bot sich uns ein furchtbarer Anblick. Eine tote Frau lag unmittelbar vor der Haustüre auf dem Bürgersteig.

Mein Vater muss auf seinem Sofa in der Küche wohl eingeschlafen sein oder hatte keine Zeit mehr gehabt 'rauszukommen, als der Angriff kam. Jedenfalls blieb er in der Küche zurück, und die Splitterbombe, die in unseren Garten fiel, verletzte ihn tödlich. Meine Schwester hat unseren Vater später in den Kellerräumen des Kramer-Museums gesehen, wo die Toten aufgebahrt waren. Sie berichtete, dass er vollständig ergraut gewesen sei, obwohl sein Haar vorher noch pechschwarz gewesen war. (...) Erst eine Weile nach dem Bombenangriff kam das Rote Kreuz, um die Toten zu bergen. So konnte auch mein Vater geborgen werden. Unser Kanarienvogel Goliath hing noch mit seinem Käfig in einer unbeschädigten Ecke und trillerte fröhlich sein Lied."

(hk-)
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