Kempen Die Burg im Wandel der Zeit

Kempen · In Kempen gilt die kurkölnische Landesburg als Wahrzeichen. Sie ist das Baudenkmal Nummer Eins. Das zeigte sich jetzt auch bei der Studenten-Werkstatt. Ihre Gestalt ist markant, ihre Geschichte wechselvoll. Hier einige Daten und Fakten.

 Die Burg um 1500: Rekonstruktion des Burghofs an der Ostseite.

Die Burg um 1500: Rekonstruktion des Burghofs an der Ostseite.

Foto: PAUL CLEMEN, BAUDENKMÄLER IN DER RHEINPROVINZ (1891)

Wo heute die Burg steht, lag um 1000 nach Christus ein Herrenhof des Erzbischofs von Köln. An dessen Schultheißen lieferten die umwohnenden Bauern, die ihre Lehmhütten in den Urwald aus Eichen und Buchen gerodet hatten, ihre grundherrlichen Abgaben: einen Teil ihrer Ernte und ihres Viehs. 1347 ist dann erstmals eine Burg in Kempen bezeugt. Errichtet wurde sie wohl zwischen 1320 und 1330. In Oedt hatte nämlich bis 1313 ein machtbewusster Klever Edelherr die Burg Uda gebaut. Von diesem Stützpunkt aus versuchte er, Stadt und Land Kempen an sich zu bringen. Im Gegenzug sollte der Bau einer Burg in Kempen die Rechte des Erzbischofs dort sichern. Demnach wäre die Kempener Burg jetzt an die 700 Jahre alt.

Bis 1390 hatte die aufstrebende Stadt Kempen sich mit einer eindrucksvollen Stadtmauer umgeben, 1830 Meter lang, mit 20 Türmen und zwei Gräben. Um mit den Kempenern mitzuhalten, ließ Erzbischof Friedrich von Saarwerden von 1396 an in vierjähriger Arbeit die heute noch stehende Landesburg errichten: Einen mächtigen Backsteinbau aus zwei Wohnflügeln, von drei runden Ecktürmen flankiert und von Wassergräben gesichert. Nach Nordosten wurde die Anlage von einer starken Wehrmauer geschützt, die erst allmählich durch den Anbau weiterer Gebäude einen dritten Flügel bildete. Die Burg war weniger zur Verteidigung bestimmt - einem Angriff mit den neuartigen Feuerwaffen hätte sie schon damals nicht standgehalten. Vielmehr war sie ein weithin sichtbares Symbol der kurkölnischen Landesherrschaft. Hier bezog der Kurfürst bzw. Erzbischof von Köln seine Gemächer, wenn er über die Burgstraße angerollt war. Hier residierte der Amtmann des Erzbischofs, ein Beamter, der nach heutigen Begriffen am ehesten mit dem Landrat zu vergleichen wäre. Unter seinem Vorsitz urteilte das Gericht unter den Nussbäumen im Vorhof der Burg auf Leben und Tod. In den Burgtürmen wurden Gefangene auch auf der Folter befragt. Der kurfürstliche Finanzverwalter, der Kellner, empfing im Kastell die dem Kurfürsten geschuldeten Abgaben und legte alljährlich das Steueraufkommen von Stadt und Land Kempen fest. Kurz: Die Burg repräsentierte die damalige staatliche Gewalt, und die städtische Siedlung blieb auf Abstand zu ihr.

Als die düstere Wehranlage infolge der fortgeschrittenen Geschütztechnik ihren Befestigungswert vollends verloren hatte, wurde sie 1634 umgebaut - zu einem wohnlichen Herrenhaus mit großen Fensteröffnungen, das aber immer noch Funktionen einer Wehranlage aufwies. Vor unliebsamen Überraschungen aus Richtung Stadt sicherte eine Zugbrücke das Hauptportal. Vor Angriffen aus dem freien Feld deckte eine neu angelegte, halbmondförmige Erdschanze. Deren Gestalt zeichnet heute noch die Ringstraße nach. Bis zum Einmarsch der französischen Revolutionstruppen in 1794 blieb die Burg Sitz der kurkölnischen Amtsverwaltung. 1807 erwarb der Krefelder Seidenbaron Peter von Loewenich die alten Gemäuer und ließ den baufälligen Nord-Osttrakt abtragen. Als friedensfrommem Mennoniten war ihm an der Erneuerung der alten Festung nicht gelegen. Nach einem Brand in der Burg kaufte die Stadt sie 1851 für 8000 Taler zurück und baute sie für Schulzwecke um. Von 1861 bis 1863 wurde die Burg weitgehend entkernt, die Stärke der 2,5 Meter dicken Außenmauern um fast einen Meter verringert.

1863 zog hier das Gymnasium Thomaeum ein, bis es im Herbst 1925 in sein heutiges Quartier wechselte: in das 1909/10 errichtete, ehemalige Lehrerseminar am Möhlenring. Zur Erinnerung prangt seit dem März 1892 am Frontgiebel des Kastells über dem Eingangstor eine Thomas-Statue. 1926 kamen hier mehrere Volksschulklassen, die neue Hilfsschule und die neu gegründete Berufsschule unter. Nach deren Auszug wurde die Burg ab 1929 zunächst gegen Miete zum Verwaltungssitz des 1929 geschaffenen Landkreises Kempen-Krefeld (KK). 1934 baute der Kreis das alte Kastell für seine Zwecke um und erwarb es 1939 schließlich für 30 000 Reichsmark als sein Eigentum. Beim Umbau wurde das Burginnere in kleinere Büros untergliedert, das neu aufgesetzte Dachgeschoss erhielt unverhältnismäßig klein wirkende Fenster.

1984 traten die letzten in Kempen verbliebenen Ämter der Kreisverwaltung aus der Burg ihren Umzug nach Viersen an. Seit 2001 wird das Gebäude ausschließlich vom Kreisarchiv Viersen, dem Stadtarchiv Kempen und der Kreisvolkshochschule genutzt.

(hk)
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