Kempen Dunkle Seite im Gefängnis gezeigt

Kempen · Es war der ungewöhnlichste Ort, an dem der Mönchengladbacher Autor Arnold Küsters je eine Lesung veranstaltet hat: Am Wochenende las er in der Kirche des Männer-Gefängnisses der Justizvollzugsanstalt Anrath.

Anrath „Grundsätzlich will ich unterhalten“, beschreibt Arnold Küsters seine Einstellung zu Büchern und Lesungen – und neben Buchhandlungen oder Bibliotheken hat er sich für die Vorstellung seiner beiden Bücher Orte ausgesucht, die vielleicht nur wenige Schriftsteller wählen würden: Sein erstes Buch hat er unter anderem in einem Saal des Landgerichts Mönchengladbach und im Polizeipräsidium vorgestellt – für das gerade erst erschienene zweite Buch, den Krimi „Maskenball“, ging er jetzt zu den Insassen des Männer-Gefängnisses in Anrath.

Das ist nicht gerade der Ort, an dem ein Autor sich erhoffen kann, die Verkaufszahlen zu steigern, aber das war nicht das Ziel: „Das ist vielleicht auch eine gelungene Unterbrechung des Haft-Alltags“, so der Autor und freie Journalist, der bereits beruflich viele Prozesse im Gericht verfolgt und darüber berichtet hat. Die Strafgefangenen sind für ihn „Leute wie wir, sie müssen nur etwas andere Lebensumstände bewältigen“. Etwa 35 Häftlinge kamen in die Kirche der Anstalt, wo Küsters ohne viel Schnörkel drei Passagen aus seinem Buch vortrug. Er las vor Kriminellen aus einem Krimi, es ging um ein Schwerverbrechen– um eine Mordserie, die in der Geriatrie der Hardter Waldklinik beginnt: Küsters las vor, wie die beiden Ermittler Ecki und Frank zum Fundort einer Leiche gerufen werden und wie sie sich vorbereiten: „Mehr als tot geht nicht“, sagen sie sich.

In einer anderen Passage beschreibt er, wie ein Alkoholiker in Brüggen ermordet und von dem Unbekannten brutal zugerichtet wird, aber auch, wie Ermittler Frank in seinem Büro eine unbekannte Frau trifft. Sie gibt ihm Hinweise auf einen Verdächtigen, gleichzeitig ist er – der sich gerade auf die Geburt seines ersten Kindes vorbereitet – fasziniert von ihrer Schönheit und durchlebt den ganz normalen emotionalen Wirrwarr einer solchen Situation.

Die Reaktionen der Zuhörer waren nicht anders als bei anderen Lesungen: Einige verließen den Raum, weil sie das Thema offensichtlich nicht interessierte, aber mehr als 20 blieben bis zum Schluss und nutzten die Möglichkeit, dem Autor Fragen zu stellen. Die Zuhörer wollten wissen, wie Küsters denn bei der detaillierten Beschreibung von Gedankengängen und Assoziationen im Kopf der fiktiven Personen vom „Hölzken auf Stöcksken“ komme oder wieso er überhaupt Krimis schreibe: „Sie begehen ja da auch Straftaten im Kopf“, so ein Besucher. Das gestand Küsters unumwunden ein – und erklärte seine Überzeugung, dass in jedem Menschen eine dunkle Seite stecke – es sei nur die Frage, ob diese sich durchsetze. Kritisch merkte ein Zuhörer an, dass die Passage um den ermordeten Alkoholiker doch sehr brutal sei.

(RP)
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