Stadt Kempen Ein schwerer Weg zum Abitur

Stadt Kempen · 35 Abiturienten waren es, die 1947 ihr Abitur am Kempener Thomaeum bestanden. Sechs davon trafen sich jetzt im "Burgcafé" in der Altstadt. Sie erinnerten sich an die gemeinsame Schulzeit.

 Feierten Wiedersehen 70 Jahre nach ihrem Abitur am Kempener Gymnasium Thomaeum (von links): Paul Sieben, Erwin Hubbertz, Helmut Haubrich, Norbert Greven, Helmut Dicks und Hans Hard.

Feierten Wiedersehen 70 Jahre nach ihrem Abitur am Kempener Gymnasium Thomaeum (von links): Paul Sieben, Erwin Hubbertz, Helmut Haubrich, Norbert Greven, Helmut Dicks und Hans Hard.

Foto: Kaiser

"Oh, da kommt Norbert", ist der Ausruf von Hans Hardt zu hören. Eine herzliche Begrüßung erfolgt. Es wird sich umarmt und auf die Schultern geklopft. Gesichter strahlen, die Freude über das Wiedersehen ist ihnen anzumerken. Schließlich sind es insgesamt sechs Herren der Jahrgänge 1926 bis 1928, die an einem Tisch im Kempener "Burgcafé" Platz nehmen. Auch wenn teilweise drei Jahre Altersunterschied zwischen ihnen liegen, so haben sie eins gemeinsam: Alle machten 1947 ihr Abitur am Kempener Gymnasium Thomaeum.

"Damals waren wir 35 Abiturienten. Heute leben noch elf davon", sagt Erwin Hubbertz mit ein wenig Wehmut in der Stimme. Doch für Traurigkeit bleibt kein Raum. Dafür freuen sich die ehemaligen Gymnasiasten, die heute teilweise noch in Kempen leben, aber auch extra aus Krefeld, Kerken und Marbach angereist sind, zu sehr, sich zu sehen. Die gemeinsame Schulzeit, zu der auch der Einsatz als Luftwaffenhelfer zählte und das trotz aller Unwegsamkeit in dieser Zeit erreichte Abitur, hat eine Verbindung für die Ewigkeit geschaffen.

Auch wenn die Schulzeit vom Zweiten Weltkrieg überschattet war, sind sich alle sechs Senioren einig, dass sie nichtsdestotrotz schön war. "Trotz aller Sorgen und Gefahren war es eine schöne Schulzeit, in der wir viel gelernt haben. Auch wenn wir nachts Fliegeralarm hatten, mussten wir am anderen Tag die lateinischen Verben und komische mathematische Formeln können. Da gab es nichts", erzählt Helmut Dicks. Man habe auch so manchen Streich gemacht, fügt Helmut Haubrich hinzu und nennt die Stichwörter "Lyzeum" und "Mädchennamen". Die älteren Herren lachen, denn jeder von ihnen weiß, was gemeint ist. Sie hatten den Mädchen des Lyzeums, die mit ihren Klassenkameraden posierten, Spitznamen wie "Pudding" und "Panhas" verpasst. "Wir haben uns dann Eimer besorgt und ein Gemisch aus Farbe, Kalk und Wasser angesetzt. Mit dem haben wir die Namen aufs Mädchenschulgebäude geschrieben", plaudert Haubrich aus dem Nähkästchen. Sie wurden verpetzt und mussten das Ganze unter den Augen eines damaligen Hilfspolizisten wieder sauber machen, wobei besagter Ordnungshüter eine Kneipe hatte und alle danach zu einem Glas Bier mitgenommen hatte, weil sie so fleißig geputzt hatten.

"Wisst ihr noch, wie vier von uns beim Fliegeralarm statt in den Keller auf den Turm der Schule geklettert sind. Wie wir uns auf die Klappentür gestellt haben, als uns ein Lehrer runterholen wollte?", fragt Dr. Norbert Greven in die Runde. Der Lateinlehrer Gertz, der von den Schülern "Buddha" genannt wurde, Dr. Horvath, der immer wie aus dem Ei gepellt in seinen Maßanzügen aus Krefeld zur Schule kam, oder Direktor Dr. Bast, vor dem alle viel Achtung hatten und ihn bewunderten, weil er nicht mit den Nationalsozialisten sympathisierte und sogar den vorgeschriebenen Hitlergruß am Anfang jeder Schulstunde geschickt umging - Erinnerungen gibt es reichlich.

Der Weg zum Abitur war dabei für alle Schüler dieser Zeit mit Unterbrechungen gespickt, da die ganze Klasse statt zum Unterricht an die Flakbatterie musste und sich die Schüler anstelle im Kempener Klassenzimmer im Kriegseinsatz in Tschechien, Frankreich oder England wiederfanden. Kriegsgefangenschaft, verletzt im Lazarett, zu Fuß aus der Fremde in die Thomasstadt zurück, sie alle haben Schreckliches erlebt. "Umso froher sind wir , dass es uns allen gelungen ist, wieder mit dem Gymnasium weiterzumachen, wir die Chance zum Lernen hatten und das Abitur ablegen konnten", bringt es Dr. Paul Sieben auf den Punkt und spricht damit allen aus dem Herzen.

(tref)
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