Stadt Kempen Eine Glocke für Gut Heimendahl

Stadt Kempen · Aus dem ehemaligen Bienenhaus auf Gut Heimendahl ist eine Glockengießer-Schmelzhütte geworden. Ferdinand Ostermaier lässt ein altes Handwerk lebendig werden. Er gießt eine Glocke nach einem Vorbild aus dem neunten Jahrhundert.

 Ferdinand Ostermaier an seiner Brennkammer. Direkt daneben kommt ein Schmelzofen, in dem die Glocke gebrannt wird. Mit auf dem Bild ist Gutsherr Hannes von Heimendahl, der sofort von der Idee begeistert war.

Ferdinand Ostermaier an seiner Brennkammer. Direkt daneben kommt ein Schmelzofen, in dem die Glocke gebrannt wird. Mit auf dem Bild ist Gutsherr Hannes von Heimendahl, der sofort von der Idee begeistert war.

Foto: Wolfgang Kaiser

Zwischen den Bäumen hinter dem ehemaligen Bienenhaus auf Gut Heimendahl steigt Rauch nach oben. Allerdings ist es kein Lagerfeuer, das Ferdinand Ostermaier gerade mit Holz befeuert. Vielmehr schiebt der 62-Jährige Holzstücke in einen Feuerschacht, der sich in einer rund ein Meter tiefen, knapp vier Quadratmeter großen Grube befindet. Kaum hat Ostermaier nachgelegt, kräuselt sich die nächste kleine Qualmwolke über das senkrecht nach oben stehende Rohr in den Himmel.

"Der zieht gut", lautet sein Kommentar, dann greift er wieder zu Mörteleimer sowie Kelle und nimmt seine Arbeit auf, die ihn an diesem Tag von Duisburg ins Gut Heimendahl in Kempen geführt hat. Diese Arbeit ist der Bau der runden Brennkammer, die er aus alten Ziegelsteinen und Lehm in der Grube mauert. Auf dem Gut Heimendahl ist ein einmaliges Projekt gestartet. Aus dem ehemaligen Bienenhaus ist eine Glockengießer-Schmelzhütte geworden. Ostermaier wird hier eine 50 Kilogramm schwere romanische Bienenkorbglocke aus dem neunten Jahrhundert gießen.

 Hier arbeitet Ferdinand Ostermaier am hölzernen Kern der Glocke.

Hier arbeitet Ferdinand Ostermaier am hölzernen Kern der Glocke.

Foto: Kaiser Wolfgang

Doch bevor es im kommenden Jahr beim Ritterlager soweit ist, müssen zunächst die Glockengrube mit der Brennkammer und der Schmelzofen gebaut werden. Das sind zwei Dinge, die der 62-Jährige nach historischen Vorlagen umsetzt. "Ich habe schon seit langen davon geträumt, einmal eine richtige Glocke zu gießen und nicht nur kleine Bronzeteile herzustellen. Eine Glocke ist die Königsdisziplin", erzählt Ostermaier, der seit acht Jahren Mittelaltermärkte als Schmied und Bronzegießer bereist.

Bislang scheiterte sein Traum an den Gegebenheiten. Für einen Glockenguss braucht er eine bestimmte Flächengröße und das für eine längere Zeit. Eine Fläche, die für ihn frei zugänglich ist und auf der er ungestört arbeiten kann. Im Rahmen seiner Ausstellertätigkeit nahm der gebürtige Münchener, der in der IT-Branche arbeitet und sich sein gesamtes Wissen um die einstige Schmiede- und Bronzearbeiten autodidaktisch erarbeitet hat, mehrmals an den Ritterlagern auf Gut Heimendahl teil. "Ich habe dann einfach Hannes von Heimendahl im vorigen Jahr angesprochen und gefragt, ob er sich vorstellen könnte, ein solches Projekt auf seinem Hof zu realisieren", erinnert sich Ostermaier. Der Gutsherr konnte und war begeistert von der Idee. "Das alte Handwerk passt wunderbar hierher und wir haben die Fläche, um es zu realisieren", bemerkt von Heimendahl. Im Winter begannen die Vorbesprechungen. Der geeignete Platz war schnell gefunden. Die Fläche hinter dem leerstehenden Bienenhaus bot sich förmlich an. Ostermaier hing ein Schild mit der Aufschrift "Glockengießer Schmelzhütte" an das Holzhaus und startete im März mit der Arbeit. Los ging es mit dem Aushub der Grube. "Ein- bis zweimal pro Monat bin ich hier. Dazu arbeite ich vor Ort, wenn die Events wie Hoffest und Ritterlager stattfinden. Dies ist die Gelegenheit für die Besucher, mir über die Schulter schauen", sagt Ostermaier. Das Glockengießen ist komplex, und es sind etliche Arbeitsschritte nötig, bevor der eigentliche Guss beginnen kann. Neben dem Bau der Brennkammer samt Feuerschacht und Kamin, mit der der Glockengießer derzeit beschäftigt ist, muss direkt daneben ein Schmelzofen errichtet werden. Dazu erhält die Brennkammer noch eine Stützmauer. Außerdem ist der Bau einer falschen Glocke angesagt, die später die Form darstellt. Um einen hölzernen Glockenkern modelliert Ostermaier dazu aus einem Gemisch aus Lehm und Tiermist die Innenform der Glocke auf. Es folgt eine Schicht Wachs, der sich die Außenform anschließt. Das Ganze muss entsprechend trocknen. "Später wird in einem Holzofenfeuer die Wachsschicht geschmolzen. Ich verschließe danach die Ausflussöffnungen. Damit ist die eigentlichen Form für die Glocke fertig", erklärt der Duisburger.

Diese Form muss dann langsam aufgeheizt werden, damit der Lehm verziegelt. Schließlich lasten rund acht Barr Druck auf dem Kern, wenn es zum Guss kommt. Die Form muss hundertprozentig trocken sein, sonst könnte sie dem Glockenbauer beim Guss um die Ohren fliegen. Im Schmelzofen wird die Bronze bei 1300 Grad geschmolzen, bevor sie über die Rinne in die Form in der Glockengrube gegeben wird. 14 Tage bleibt die Glocke dort, danach kommt der große Augenblick: Hat alles geklappt und sind keine Risse entstanden. Die Bienenkorbglocke wird auf Gut Heimendahl bleiben und künftig die kleine Glocke im Turm vom Gut unterstützen.

Der eigentliche Guss der Glocke soll beim Ritterfest auf Gut Heimendahl Anfang Juli kommenden Jahres geschehen.

(tref)
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