Stadt Kempen Eine Hebamme und ihre Nöte mit der Haftpflicht

Stadt Kempen · Claudia Brieske liebt ihren Beruf, hat sich aber bereits ein zweites Standbein als Heilpraktikerin aufgebaut.

 Claudia Brieske ist Hebamme mit Leib und Seele. Es gibt jedoch Probleme mit der Berufshaftpflicht.

Claudia Brieske ist Hebamme mit Leib und Seele. Es gibt jedoch Probleme mit der Berufshaftpflicht.

Foto: kaiser

Sie könnte sich nicht vorstellen ihren Beruf jemals aufzugeben: Claudia Brieske ist seit 13 Jahren mit Leib und Seele Hebamme. Für sie ist es der schönste Moment, wenn sie der Mutter ihr Kind in den Arm legen darf. Doch sie stand bereits mehrfach vor der Entscheidung, ob sie weitermachen soll.

Die Gründe: Immer mehr Geburtskliniken schließen, die Berufshaftpflicht ist sehr teuer geworden, viele Hebammen, weiß Brieske, suchen deshalb nach Alternativen. Der Bedarf bei werdenden Müttern bleibt aber: "Ich muss täglich mehreren Patientinnen absagen", erzählt die 36-Jährige.

Laut einem aktuellen Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages kümmert sich in den Geburtskliniken eine Hebamme um drei Frauen gleichzeitig. Im Hospital zum Heiligen Geist arbeiten acht Beleghebammen. Sie teilen sich 12- und 24-Stunden-Dienste. Der Bedarf sei derzeit gedeckt. Die Geburtszahlen im Hospital zum Heiligen Geist steigen von Jahr zu Jahr: Während 2010 noch 488 Kinder in Kempen geboren wurden, waren es im vergangenen Jahr 732. C

laudia Brieske wechselte 2014 aus Krefeld-Uerdingen nach Kempen: "Da hat der Kreißsaal geschlossen, die Frauen müssen seitdem woanders entbinden und suchen Alternativen", erzählt die Mutter eines fünfjährigen Sohnes. Beleghebammen sind freiberuflich tätig. Die Berufshaftpflicht würde Claudia Brieske 6500 Euro kosten.

Einen Großteil für die Geburtshilfe übernimmt das Hospital zum Heiligen Geist und sie selbst zahlt den Anteil für die Vor- und Nachsorge selbst. Die Hebamme ist über den Deutschen Hebammen Verband über eine Gruppenhaftpflicht versichert. "Ich habe nach meiner Ausbildung mit 400 Euro Versicherungsprämie angefangen", sagt die Moerserin. Das war 2004 nach ihrem Examen.

Ihr mache die politische Situation um diesen Beruf Angst: "Man weiß nicht, wo es der Beruf hingeht, in die Versorgung von Senioren wird investiert, für den Beginn des Lebens ist kein Geld da", sagt sie. Das verstehe sie nicht. Sie hat sich deshalb ein zweites Standbein als Heilpraktikerin aufgebaut: "Ich werde oft gefragt, warum ich mich nicht voll darauf konzentriere, und als Hebamme aufhöre", erzählt die junge Frau. Doch das könne sie nicht, viel zu sehr liebt sie diesen Beruf, der für sie mehr "Berufung" ist.

Die Zahlen vom Deutschen Hebammen Verband sind alarmierend. Demnach bestehe zwar Interesse an dem Beruf, doch die Bewerbungen seien um rund 50 Prozent zurückgegangen (Stand 2015). Faktoren wie die hohe Berufshaftpflicht und eine zunehmende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen seien nach Einschätzung des Verbands für den Rückgang der Bewerber ursächlich. Das Hospital zum Heiligen Geist sucht derzeit keine neuen Hebammen.

Von werdenden Müttern wisse man aber, dass es schwer sei eine Hebamme für die Vor- und Nachsorge zu bekommen, so das Kempener Krankenhaus. "Der Beruf der Hebamme ist kein Job von 9 bis 17 Uhr, und dann geht man nach Hause", sagt Claudia Brieske. Dazu zählen auch Wochenend- und Feiertagsarbeit. Wenn sie eine andere Kollegin bei ihrer Schicht ablöst, tauschen sie sich über Nachrichten aus, ob bei der Geburt noch alles gut gegangen sei. "Und dann freut man sich natürlich, schließlich hat dann wieder ein Kind das Licht der Welt erblickt", sagt die Hebamme.

(janj)
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