Heimat entdecken in Kempen Eine Mühle mitten in der Stadt

Stadt Kempen · Kempen hat nicht nur eine historische Stadtbefestigung. Innerhalb der alten Mauern befindet sich etwas sehr Ungewöhnliches: eine Turmwindmühle.

 Die Kempener Turmwindmühle, wegen ihrer Lage am Hessenring "Hessenmühle" genannt, ist in die Stadtbefestigung integriert.

Die Kempener Turmwindmühle, wegen ihrer Lage am Hessenring "Hessenmühle" genannt, ist in die Stadtbefestigung integriert.

Foto: Wolfgang Kaiser

Wer Windmühlen sucht, der findet sie in der Regel auf freien Flächen, weit vor den Toren einer Stadt, in exponierter Lage. Die Anlagen, in denen einst das Korn gemahlen wurde, brauchten entsprechenden Wind als Antrieb, und aufgrund der Brandgefahr, die von ihnen ausging, wurden sie in einem ausreichenden Sicherheitsabstand von der Bebauung errichtet. "Reibung erzeugt Hitze, und da auch die Bremsen der Windmühlen aus Holz hergestellt wurden, war es mehr als ratsam, diese nicht in der Wohnbebauung zu wissen", berichtet Gudrun Holzmann vom Hochbauamt der Stadt Kempen und zuständig für die historischen Gebäude in der Thomasstadt.

 Viele Elemente aus Holz machen die Mühle "brandgefährlich".

Viele Elemente aus Holz machen die Mühle "brandgefährlich".

Foto: Kaiser Wolfgang

Trotz allem gibt es in Kempen eine Turmwindmühle, die ihren Platz in der Stadtbefestigung gefunden hat. Die 1481 erbaute Mühle diente dazu, die Mehlversorgung von Kempen sicherzustellen, sollte es einmal zu einer Belagerung der Stadt kommen. Um den Wind möglichst günstig ausnützen zu können, erbauten die Kempener die Mühle an der Süd-West-Seite der Stadtmauer. Die Mühle selber steht auf einer dreigeschossigen Unterbastion mit einem Durchmesser von 15,50 Meter, wobei das Mauerwerk teilweise satte 4,82 Meter dick ist.

"In einem Teil des unteren Bereichs der Mühle, wo früher der Sackaufzug war, hat der Bouleverein seinen Lagerplatz", informiert Holzmann, die eine schmale Türe im Mauerwerk aufschließt, durch die der Aufstieg auf den Turm möglich ist. Gemauerte Stufen von unterschiedlichster Höhe und Breite, die sich in Form einer Wendeltreppe nach oben ziehen, sind zu sehen. Genau diese Stufen seien ein Problem, das der Öffnung des Turmes für die Bürger entgegenstehe, informiert die Fachfrau. Weil die Wendeltreppe kein normales Treppenmaß hat, ist es problematisch, sie versicherungstechnisch abnehmen zu lassen. Falls es einmal zu einem Unfall beim Auf- oder Abstieg kommen sollte, würde sich die Frage der Haftung stellen.

 Gudrun Holzmann im Inneren der Mühle.

Gudrun Holzmann im Inneren der Mühle.

Foto: Kaiser Wolfgang

Dort, wo die Wendeltreppe aufhört, geht es rechts auf den Wehrgang hinaus, der allerdings nicht historisch ist. Er wurde 2002 rekonstruiert, um einen Einblick zu geben, wie die Mühle einst innerhalb der Stadtmauer integriert war. Dass die Mühle innerhalb der Stadtmauer früher einen Teil der Stadtbefestigung darstellte, macht ein Rundgang auf dieser Höhe durch den Wehrgang des Unterturms ebenfalls klar. Der sternförmige Umlauf mit Blick auf die regelmäßig eingelassenen Schießscharten lässt erahnen, wie Kempen vor Hunderten von Jahren verteidigt wurde. Heute sind die Schießscharten gegen Tauben und Dohlen geschützt, damit diese in dem Bereich nicht nisten können und den Rundgang innerhalb des Turmes verschmutzen. Über dem Unterturm erhebt sich der schlankere Oberturm, der die Dachhaube samt Welle und Flügel trägt. Wobei der Oberturm immerhin noch eine Mauerstärke von 1,50 Meter aufweist und einen Durchmesser von 8,70 Meter hat.

Der Aufstieg, um an den äußeren Umgang in zwölf Metern Höhe zu gelangen, wird allerdings abenteuerlich. Es gilt, eine steile Holztreppe zu erklimmen, der sich gewaltige Steinstufen anschließen. Im Inneren selber erinnert nichts mehr an die einstige Funktion als Mühle. Das Mahlwerk existiert nicht mehr. Im großen Innenraum hatte die Stadt Kempen in den 80er-Jahren die Entlüftungsrohre des Regenrückhaltebeckens versteckt. Jetzt aber herrscht gähnende Leere. Ein Anblick, der nichts für Menschen ist, die nicht schwindelfrei sind. Nach oben blickt man auf eine eingezogene Betondecke, nach unten, ohne eine Zwischendecke, in die Tiefe.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Windmühlenbetrieb vom Dampfbetrieb abgelöst. Es soll einst noch ein Mühlengebäude neben der eigentlichen Mühle gestanden haben, das elektrisch betrieben wurde. "Mit entsprechender Sicherung waren meine Kollegen und ich schon in der Turmhaube", informiert Holzmann und deutet auf Eisentritte im Mauerwerk. Über genau diese eingelassenen Eisenstangen geht es bis unter die Turmhaube, wo sich die innere Flügelkreuzkonstruktion und die Welle befinden. Aber für den Fernblick muss man nicht so hoch hinaus. Schon der Rundgang um den Oberturm vermittelt den Eindruck, Kempen aus der Vogelperspektive zu sehen.

(RP)
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