Stadt Kempen Eine Reise in Muttis Universum

Stadt Kempen · Der Kabarettist Reiner Kröhnert - bekannt durch seine gekonnten Parodien von Bundeskanzlerin Angela Merkel - gastierte im St. Huberter Forum.

Nein, Frau Merkel kann nicht in Karlsruhe beim CDU-Bundesparteitag gewesen sein, denn sie stattete am Montag- und Dienstagabend dem St. Huberter Forum einen Besuch ab. Dort amüsierte der Kabarettist Reiner Kröhnert nicht nur mit seinen inzwischen schon legendär gewordenen Merkel-Parodien, sondern auch in vielen anderen Rollen. Kröhnert ist ein fantastischer Parodist. Von einer Sekunde zur nächsten schlüpft er in eine andere Rolle. Eine kleine Geste, eine kurze Veränderung der Mimik und der Sprache - schon weiß man genau, wen man da vor sich hat. Der Kabarettist muss seine Protagonisten stundenlang beobachtet haben, um genau dies beim Publikum zu erreichen. Da ist es bei Merkel die bekannte Handhaltung ebenso aber auch die klassische Haltung von Finanzminister Wolfgang Schäuble. Da sitzt er einfach nur im Sessel und hebt die Hände und man weiß Bescheid, bevor im Text der legendäre Ausspruch "Isch over" kommt.

Und so zieht Kröhnert munter durch das politische Leben. Merkel erläutert ihre Weltordnung. Und die ist nach Kröhnert eigentlich ganz einfach: "Wenn ich eine Wand auf mich zukommen sehe, wende ich mich." Sollte die Große Koalition eines Tages vorbei sein, gibt es ja noch die Grünen. Dann wird Horst Seehofer entsorgt. Und im Zweifelsfall ist jemand mal weg vom Fenster, bis sie ihn wieder braucht. Denn das "Mutti-Universum" kennt nur eine Sonne, nämlich Angela Merkel selbst. Alles andere sind Trabanten. Kröhnert erläutert als Merkel ihr Mundwinkelprinzip und kommt zu dem Schluss: "Hier schmolle ich und kann nicht anders." Down ist halt beautiful. Das ist das Wunderbare an Kröhnert: Jeder Satz ist gestochen scharf.

Erstaunlich dabei ist, dass er dieses Tempo so durchhalten kann. Da gibt es einen schon fast lyrisch-erotischen Dialog zwischen Ronald Pofalla und Peter Hintze. Da geht es darum, wie man denn am besten in "Muttis Universum" bleibt. Und Bundespräsident Joachim Gauck gibt mal eben ganz locker zu, dass er eitel sei. Und liefert gleich eine verblüffende Gedankenkette, dass Kredit von Credo komme, dass wiederum Glaube beinhalte und daher die Gläubiger kommen. Eine Minute muss man dem nachdenken, dann hat das Publikum es kapiert und der Kabarettist sitzt da oben auf der Bühne zufrieden lächelnd in seinem Sessel. Es gibt eine bemerkenswerte Fachsimpelei der alternden Politiker Hans-Dietrich Genscher, Rita Süßmuth und Hans-Jochen Vogel. Man muss nicht glauben, dass der Kabarettist Ehrfurcht vor dem Alter hat. Aber Kröhnert hat es noch auf etwas anderes abgesehen: die vielen Talkshows im Fernsehen. So sind bei ihm zum philosophischen Diskurs mit Michael Friedmann und Rainer Safranski Gäste wie Boris Becker, Dieter Bohlen oder Daniela Katzenberger eingeladen. Wie das abgeht, kann sich jeder wohl vorstellen. Insgesamt war es ein amüsanter Abend voller Rundumschläge gegen Politik und Gesellschaft. Scharfzüngig und Intelligenz. Ein Abend, der den Besuchern genaues Hinhören abverlangte, aber auch Hintergrundwissen voraussetzte. Denn nur so waren Kröhnerts Anspielungen zu verstehen.

(sr)
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