Grefrath Fall Mirco: 145 Tage Fahndung

Grefrath · Die Suche nach Mirco und die Fahndung nach dem Täter war eine der aufwendigsten Ermittlungen in der Geschichte des Landes – und vom ersten Tag an mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten behaftet.

Chronologie: Der Fall Mirco
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Foto: Günter Jungmann

Die Suche nach Mirco und die Fahndung nach dem Täter war eine der aufwendigsten Ermittlungen in der Geschichte des Landes — und vom ersten Tag an mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten behaftet.

Als der zehnjährige Mirco am Abend des 3. September verschwindet, geschieht zunächst zwölf Stunden lang nichts: Aufgrund eines Missverständnisses zwischen den Eltern wird sein Verschwinden erst am nächsten Morgen bemerkt. Bereits mit der verspäteten Vermissten-Meldung verlieren die Fahnder Zeit — und in der Folge werden wertvolle Spuren vernichtet.

Für Kriminalisten gelten die ersten 48 Stunden nach einer Entführung als die entscheidenden. Danach sinken die Chancen, das Opfer lebend zu finden. Als die Fahndung einsetzt, hat ein Zeuge Mircos grünes Fahrrad bereits mit nach Hause genommen und mit einem Hochdruck-Reiniger gesäubert. Eine weitere Zeugin hat — unwissentlich — ein Kleidungsstück Mircos mitgenommen und gewaschen. Das anhaltende Regenwetter vernichtet zudem mögliche etliche Fuß- und Reifenabdrücke.

Auch eine wichtige elektronische Hilfe führt die Polizei nicht weiter: Mircos Handy. Der Telefonanbieter, von dem Mircos Handy-Karte stammt, löscht die Daten früher als andere Anbieter; die Spur ist kalt. Erst am 12. November wird das Telefon gefunden.

Was der "Soko Mirco" zunächst bleibt, sind Zeugen, öffentlicher Druck und das große Fahndungsbesteck. Die größte Suchaktion in der Geschichte des Landes wird in Gang gesetzt. In mehreren Wellen werden mit mehr als 1000 Polizisten Gebiete in der Nähe des mutmaßlichen Tatorts durchkämmt, die Niers mit Tauchern abgesucht und Bundeswehr-Tornados mit Wärmebildkameras eingesetzt.

Die Suchaktionen liefern keine heiße Spur. Am 7. Oktober wird die weiträumige Suche nach Mirco schließlich eingestellt. Die Soko erhöht den öffentlichen Druck auf den Täter: Der Fall wird auf Betreiben der Ermittler in der ZDF-Sendung "XY" behandelt. Eine Woche nach Mircos elftem Geburtstag am 18. September treten die Eltern im Fernsehen vor die Kamera und richten einen dramatischen Appell an den Täter.

In der deutschen Kriminalgeschichte hat ein solcher Appell noch nie dazu geführt, dass ein Täter sich stellt. Die Soko setzt auf die psychologische Wirkung — nicht zuletzt auf das Umfeld des Täters. Denn die kriminalistische Erfahrung lehrt, dass Familienangehörigen, engen Freunden oder Arbeitskollegen fast immer Verhaltensänderungen auffallen.

Die 65-köpfige Sonderkommission arbeitet 9000 Hinweise ab. Schnell ist sich ihr Leiter Ingo Thiel sicher, dass das bei der Tat verwendete Fahrzeug zum Täter führen wird. Die Soko untersucht auch Selbsttötungen in der Region, um ausschließen zu können, dass der Täter sich in der Zwischenzeit umgebracht hat. Auf einen Massengentest verzichten die Fahnder: warum, bleibt offen.

Thiel beharrt: "Finden wir das Auto, finden wir den Täter." Die Soko konzentriert sich auf die Überprüfung von 15.000 Fahrzeugen VW Passat-Kombi. Tatsächlich führt das Auto am Ende zum Verdächtigen. Und damit nach 145 Tagen auch zu Mirco.

Wir berichten am Freitag aktuell ab 11 Uhr von der Pressekonferenz in Mönchengladbach.

(RP)
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