Grefrath Fall Mirco: Länderspiel half Fahndern

Grefrath · Die Festnahme des 45-jährigen Olaf H. ist auch das Ergebnis des Zusammenspiels neuer kriminaltechnischer Methoden. Die Polizei untersucht nun, für welche weiteren Taten der mutmaßliche Mörder Mircos noch verantwortlich sein könnte.

Chronologie: Der Fall Mirco
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Foto: Günter Jungmann

Die Festnahme des mutmaßlichen Mörders von Mirco ist ein Erfolg moderner Kriminaltechnik — und eines gigantischen Einsatzes von Mensch und Material. Bis zu 1000 Polizisten suchten zeitweise nach dem verschwundenen Zehnjährigen.

Doch Erfolg brachte erst die Kombination von Fahnder-Instinkt und wissenschaftlicher Akribie: So gelang es dem Landeskriminalamt Düsseldorf, genügend Fasern an der bereits gewaschenen Kleidung Mircos zu sichern, um einen Abgleich mit den Textilfasern aus dem VW Passat des Täters zu ermöglichen. Das hessische Landeskriminalamt schaffte es, winzige DNA-Bestandteile an der Kleidung Mircos dem Täter zuzuordnen.

Doch trotz dieser Methoden wäre der Schwalmtaler Olaf H. so schnell nicht ins Visier der Ermittler geraten, wenn die nicht eine neue Fahndungsmethode angewandt hätten. Laut Soko-Chef Ingo Thiel habe es keinen Hinweis aus der Bevölkerung auf H. gegeben.

Was aber hat die Fahnder bewogen, sich mit dem unauffälligen Telekom-Manager zu beschäftigen? Vielleicht hilft ein Satz weiter, den ein Ermittler während der jüngsten Pressekonferenz fallen ließ. Die Polizei habe davon profitiert, dass an dem Abend von Mircos Verschwinden ein Fußball-Länderspiel im Fernsehen lief. Das wurde bisher so gedeutet, dass Zeugen sich deshalb besonders gut an jenen Abend erinnern konnten.

Aber es könnte auch etwas anderes bedeuten: Da die Straßen an jenem Abend wie ausgestorben waren, dürften sich nur wenige Mobilfunk-Teilnehmer im Bereich der Funkwabe aufgehalten haben, innerhalb der Mirco zuletzt geortet worden war. Da liegt es nahe, bei den Mobilfunkanbietern nachzuforschen, welche Teilnehmer in dem entscheidenden Zeitraum in der Funkwabe eingeloggt waren.

Laut Manfred Breul vom Telekommunikationsverband Bitkom werden Daten zum Standort in Mobilfunknetzen im Normalfall gespeichert, solange sich ein Nutzer innerhalb der Funkzelle aufhält, damit Anrufe oder Nachrichten zugestellt werden können. Bewegt er sich in eine andere Funkzelle, wird die alte Information durch die der neuen Zelle überschrieben. Eine rückwirkende Ermittlung, wer wann in welcher Funkzelle war, ist dann nicht möglich. Wenn jedoch ein Gespräch geführt oder eine Nachricht versendet wird, kann man je nach Anbieter den jeweiligen Standort aufgrund der gespeicherten Daten ermitteln.

Mit Hochdruck untersuchen die Ermittler derzeit, ob der mutmaßliche Mörder Mircos auch für andere Taten in Frage kommt. Dafür spricht die brutale Konsequenz, mit der der Täter vorging. Schwer vorstellbar, dass diese Gewalttätigkeit erst im Fall Mirco ausbrach.

Olaf H. ein Serientäter? Dagegen spricht allerdings die stümperhafte Tatausführung. Der Mörder hinterließ eine breite Spur, servierte den Ermittlern Mircos Kleidung sozusagen auf dem Tablett. Serienmörder gehen zielgerichteter vor — und verbessern ihre Tat-Technik von Mord zu Mord. "Die Phantasien, so etwas zu machen, müssen vorher schon dagewesen sein", meint Kriminologe Mark Benecke. Allerdings sei es durchaus denkbar, dass sein geordnetes soziales Umfeld H. lange Zeit daran gehindert habe, seine Neigungen auszuleben.

Für den Mord an der elfjährigen Schülerin Claudia Ruf aus Grevenbroich scheint er jedoch nicht in Frage zu kommen. Ein Sprecher der Polizei wies darauf hin, dass im Fall Ruf DNA sichergestellt worden sei. Die stimmte aber offensichtlich nicht mit der DNA von Olaf H. überein.

Im Mordfall Dennis werden die Ermittlungsergebnisse jetzt ebenfalls mit dem Fall Mirco abgeglichen. Die Verdener Soko sucht nach dem maskierten Mörder, der in Niedersachsen und Nordfrankreich fünf Jungen aus Schulheimen entführt und ermordet hat. Dass die Soko mehr als sechs Jahre nach der letzten Tat jetzt noch einmal aufgestockt werden soll, habe nichts mit dem Fall Mirco zu tun, versichert ein Sprecher. Allerdings werde man nach der Festnahme von H. noch einmal die Fakten überprüfen.

Wie Mirco umkam, können vermutlich aber auch die Kriminaltechniker nicht mehr klären. Der Zustand der Leiche, so ein Polizeisprecher, lasse genaue Aufschlüsse nicht mehr zu.

(RP)
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