Kempen Geschichten über Sattler und Polsterer

Kempen · Im Textilmuseum "Die Scheune" in Hinsbeck erklärten drei Experten den Besuchern, wie eine Matratze entsteht und warum Kinder die Finger von der Kardiermaschine lassen sollten.

 Das Handwerk um 1925: Heinrich Kerken und sein Lehrling Josef Pollen.

Das Handwerk um 1925: Heinrich Kerken und sein Lehrling Josef Pollen.

Foto: VVV HINSBECK

Wie wurde früher eine Matratze gepolstert, wie viele Arbeitsschritte waren vonnöten, wie wurde genäht? All das wird im Textilmuseum "Die Scheune" in Hinsbeck-Hombergen kleinteilig und anschaulich erläutert. Walter Tillmann, dessen Sammlung dauerhaft in der Scheune gezeigt wird, sowie Heinz Koch und Walter Schmitz luden jetzt zum Vortrag "Sattler und Polster in Hinsbeck" ein. "Wir möchten heute einen Berufszweig ins Gedächtnis rufen und daran erinnern, dass Handarbeit zu früheren Zeiten noch sehr erwünscht war", sagte Tillmann.

Das Museum zeigt in einem denkmalgeschützten Fachwerkhof sehr anschaulich die Entwicklungsgeschichte niederrheinischer Textilmanufaktur. Ausgestellt werden unter anderem Rohstoffe, Spinngeräte, Handwebstühle und Werkzeuge, Gewebe, Bilder und Bücher.

 Wie eine Kardiermaschine funktioniert, erläuterten Heinz Koch, Sattler Walter Tillman und Walter Schmitz (v.l.n.r.).

Wie eine Kardiermaschine funktioniert, erläuterten Heinz Koch, Sattler Walter Tillman und Walter Schmitz (v.l.n.r.).

Foto: Franz-heinrich Busch

Textilingenieur Walter Tillmann zeigt die einzelnen Fertigungsschritte für eine Matratze anhand eines alten Ausstellungsstückes, das an einer Seite geöffnet ist und die einzelnen Bestandteile zeigt: Da sind der Holzrahmen mit Federn zu sehen, ebenso wie das Jutegewebe, das darüber gezogen und vernäht wurde. Dann folgen Seegras und Polsterwatte, dann ein Außengewebe sowie ein weiteres Gewebe. "Matratze kommt von dem arabischen Wort ,matra', und bedeutet ,Sitzkissen'", erklärt Tillmann. Er gibt immer wieder kleine Materialstücke an die Zuschauer weiter, damit sie diese anfassen können.

Auch andere Arbeiten des Polsterers werden erläutert. So musste er etwa bei seiner Arbeit auf die Maserung des Holzes achten, wenn er das Polstergewebe abspann und festnagelte. "Je nachdem wie das Holz gewachsen war, konnte er die Nägel nicht in einer Reihe schlagen, was aber wiederum dem Kunden nicht gefallen hätte, eine krumme Naht hätte keiner geduldet." Diese Details kosteten Zeit: "Rund 40 Arbeitsstunden wurden für ein Sofa veranschlagt", so Tillmann. "Und wenn man eines in der Familie hatte, wurde es nicht einfach an die Straße gestellt, wenn es kaputt war, sondern ausgebessert und neu bezogen."

Einblicke in seinen Familienalltag als Sohn eines Polsterers gab Walter Schmitz, unter anderem an der ausgestellten Kardiermaschine, ein Gerät zur Aufrauhung beziehungsweise Auflockerung von Polsterfasern wie Seegras oder Rosshaar, das er als Neunjähriger gemeinsam mit Vater Willi bedienen musste. "An diese Maschine durften wir als Kinder nur unter Aufsicht oder mit Erwachsenen, damit nicht versehentlich eine Kinderhand in die scharfen Holzzähne geriet", erinnert er sich.

Referent Heinz Koch attestierte der Sattlerei und Polsterei Schmitz, die der Großvater von Walter Schmitz, Ferdinand Schmitz, im Jahre 1905 übernommen hatte, eine sicher nicht günstige, aber dafür einer der besten Betriebe dieser Zunft gewesen zu sein. Er gab einige Zahlen in die Runde: So gab es 1822 zwar 17 Schneider und neun Schuhmacher in Hinsbeck, jedoch nur zwei Sattler. Diese Zahl blieb bis zum Ende des Jahrhunderts bestehen, die Zahl anderer Gewerke verringerte sich jedoch.

(RP)
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