Stadt Kempen Im Keller gibt's Hilfe zur Selbsthilfe

Stadt Kempen · Im Untergeschoss der Heilig-Geist-Kapelle am Kempener Buttermarkt reparieren Ehrenamtliche mit Flüchtlingen Fahrräder. Die wurden gespendet. Asylbewerber, die ein repariertes Zweirad haben möchten, müssen dafür bezahlen.

 Der studierte Ingenieur und ehrenamtliche Helfer Gerhard Franck erklärt in der Keller-Werkstatt drei Flüchtlingen, wie sie ein defektes Fahrrad am besten reparieren können.

Der studierte Ingenieur und ehrenamtliche Helfer Gerhard Franck erklärt in der Keller-Werkstatt drei Flüchtlingen, wie sie ein defektes Fahrrad am besten reparieren können.

Foto: Kaiser

In den Kellerräumen der Heilig-Geist-Kapelle am Buttermarkt ist es sehr eng. Trotzdem hat Flüchtling Sadig Hussein noch Platz, seinem 13-jährigen Sohn Babko sein neues Rad zu erklären. Die Beiden wohnen erst seit zwei Monaten im ehemaligen Bankgebäude an der Peter-Jakob-Busch-Straße in Kempen, sind durch einen Aushang in ihrer Unterkunft auf die Reparatur-Werkstatt aufmerksam geworden. Es ist dort wieder mal eine Menge los.

"Es wäre schön, wenn wir noch mehr Räder in einem einigermaßen guten Zustand hätten, auch für Kinder", sagt Franz Steier. Der 61-jährige Ehrenamtler, der sich mit anderen seit etwa April 2015 um die im direkt angrenzenden Wohngebäude untergebrachten 23 Flüchtlinge kümmert, hatte vor etwa einem Jahr die Fahrrad-Werkstatt mit gegründet. Diese wird in Zusammenarbeit mit der katholischen Pfarrgemeinde St. Mariae Geburt, mit dem SKM (Katholischer Verein für soziale Dienste in der Region Kempen-Viersen) und der Initiative "Kempen hilft" betrieben. "Etwa hundert Räder dürften wir hier schon ausgegeben und repariert haben", schätzt Franz Steier.

Da auch viele Räder gespendet werden, die nicht mehr fahrtüchtig sind, erfolgen unterschiedliche Reparaturen. Darum kümmert sich in erster Linie der jetzige Pensionär und frühere Maschinenbau-Ingenieur Gerhard Franck (65), der über "Kempen hilft" an die ehrenamtliche Aufgabe gekommen war. Was ihm besonders wichtig ist, beschreibt er so: "Die ausländischen Bewohner sollen hier vor allem lernen, wie man einfache Reparaturen selbst ausführt, wie man beispielsweise einen Reifen wechselt oder welchen Zweck die einzelnen Stellschrauben haben." Und je nach Zustand des später abgegebenen Rades wird von den Flüchtlingen, die ein Rad haben möchten, eine Art Schutzgebühr ab zehn Euro verlangt. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Flüchtlinge dann pfleglicher damit umgehen, wenn sie dafür etwas zahlen müssen", erklärt Franz Steier. Eine Mentalität, die sicherlich auch auf so manchen Deutschen zutrifft: Was nichts kostet, kann nicht viel sein. In der Werkstatt helfen Gerhard Franck auch einige engagierte Flüchtlinge. So der 25-jährige Ahmad aus Syrien, der seit etwa einem Jahr am Buttermarkt lebt. "Solch ein Rad habe ich in meiner Heimat überhaupt nicht gekannt, jetzt fahre ich nahezu täglich damit, am Wochenende vor allem zu den Fußball- und Tennisplätzen an der Berliner Allee", erzählt Ahmad in schon gutem Deutsch. Er macht gerade einen der Integrationskurse, war in Syrien ein Student der Wirtschaft, will sich hier gerne zum Textil-Designer ausbilden lassen.

Auch Propst Dr. Thomas Eicker, Kempens Stadtsprecher Christoph Dellmans und Bjarne Norlander von der Flüchtlingshilfe "Kempen hilft" besuchen gerade die Werkstatt, in der es außerdem in verschiedenen Sprachen ein Regelwerk mit dem richtigen Verhalten im Straßenverkehr oder mit der Bedeutung der wichtigsten Verkehrsschilder gibt. Denn auch dies müssen die Flüchtlinge noch lernen.

Die Fahrradkette eines Rades zieht gerade der 35-jährige Faris aus dem Iran etwas straffer. Er macht ebenfalls als Helfer mit, hat bereits den Status, drei Jahre in Deutschland leben zu dürfen und sucht derzeit eine Wohnung. Zu denjenigen, die seit Längerem tatkräftig mit anpacken, gehört außerdem der 32-jährige Syrer Khalil, der ebenfalls zu einem begeisterten Schrauber und Radfahrer geworden ist. Khalil hatte in seiner Heimat den Beruf eines Schweißers gelernt, möchte auch hier im Metall-Bereich arbeiten. Der an der Technik sehr interessierte Khalil sagt: "Es wäre schön, wenn ich irgendwo erst einmal ein Praktikum machen könnte."

In der Fahrrad-Werkstatt gibt es noch genug zu tun. Wer den Flüchtlingen gebrauchte und noch funktionierende Räder zur Verfügung stellen möchte, ist dort jederzeit willkommen. Die Öffnungszeiten sind mittwochs und samstags, jeweils von 14 bis 16 Uhr.

(wsc)
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