Stadt Kempen Kempener gedenken der Opfer des Nazi-Terrors

Stadt Kempen · Auf dem Platz vor der ehemaligen Synagoge sprach die Halbjüdin Ellinor Wohlfeil über ihre Kindheitserlebnisse.

 Bei strömendem Regen gedachten etwa 60 Kempener am Mahnmal auf der Umstraße der Opfer der Reichspogromnacht.

Bei strömendem Regen gedachten etwa 60 Kempener am Mahnmal auf der Umstraße der Opfer der Reichspogromnacht.

Foto: Kaiser

Auch von Kälte und Regen ließen sich viele Kempener nicht abhalten, am Mittwochabend am Platz der ehemaligen Synagoge an der Umstraße der Opfer der Reichspogromnacht vom 9. November 1938 zu gedenken. Rund 60 Besucher werden es wohl gewesen sein.

Mit Ellinor Wohlfeil war es dem veranstaltenden Kempener Geschichts- und Museumsverein gelungen, eine beeindruckende Zeitzeugin als Rednerin einzuladen. Sie erlebte die Zeit des Nationalsozialismus als Kind. 1925 als Kind einer arischen Mutter und eines jüdischen Vaters geboren, erlebte sie mit 13 Jahren, dass ihr Vater ins KZ Buchenwald verschleppt wurde. Das Kind konnte sich nicht erklären warum und fragte immer wieder bei der Mutter danach. Sie werde es später einmal verstehen, war die Antwort. Doch das Kind verstand eben nicht. Und der Vater, der nach einiger Zeit wieder kam, war ein Mann, den sie nicht kannte. Kahl geschoren, der Lebensfreude beraubt, voller Narben am Körper und gebeugt kehrte er zurück in die Familie. 1943 drohten ihm und der 80 Jahre alten Großmutter die erneute Verschleppung ins KZ. Sie begingen Selbstmord.

Dies, aber auch alle kleinen oder großen Verwundungen, die sie als Kind erlebte, haben Ellinor Wohlfeil nie los gelassen. Auf einmal durfte sie vieles mit anderen Kindern nicht mehr mitmachen. Ob in der Schule oder beim Sportfest, immer wurde sie zurück gesetzt. "Ich war gebrandmarkt", sagte sie. Ihre Schulausbildung musste sie schließlich in Berlin fortsetzen, wo es noch ein Gymnasium gab, das jüdische Kinder aufnahm.

Sehr schlicht erzählte Wohlfeil, wie sie diese Erfahrungen ihr Leben lang verfolgt haben. Jahrelang habe sie unter Depressionen gelitten. Und über allem immer wieder der Satz "Ich konnte das alles nicht verstehen." Sie hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, gerade jungen Leuten ihre Geschichte zu erzählen. Ganz am Ende stand dann ein wichtiger Appell an die Zuhörer. Man solle dankbar sein für die Jahre, die man in diesem Land nun schon in Frieden lebe. Und man müsse alle Menschen als Brüder sehen, gleich welcher Religion, Rasse oder Hautfarbe. Wir sollten lernen, toleranter zu werden.

Es war noch lange still am Platz der Synagoge. Während Dr. Herbert Holtemeyer den Ausklang der kurzen Feier mit Klezmermusik auf der Klarinette unterstrich, stellten manche Kerzen auf dem Rand des Blumenbeetes am Gedenkstein auf.

(sr)
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