Stadt Kempen Kunst belebte die Beamtenlaufbahn

Stadt Kempen · Der verglaste Verbindungsgang zwischen Kreishaus und Franziskanerkloster in Kempen war früher mehr als nur der kürzeste Weg, um in der Kreiskantine Kaffee fürs Büro zu holen. In den 70er Jahre diente er der Kunsthistorikerin Margret Cordt als Ausstellungsraum. Nun kommt der Abriss.

 In der Beamtenlaufbahn eröffnet die damals 33 Jahre alte Margret Cordt (rechts) am 15.März 1970 die Gedächtnisausstellung für den expressionistischen Maler Jakob Steinhardt.

In der Beamtenlaufbahn eröffnet die damals 33 Jahre alte Margret Cordt (rechts) am 15.März 1970 die Gedächtnisausstellung für den expressionistischen Maler Jakob Steinhardt.

Foto: Archiv

Die Kunst, ihr "Motor im Leben", sorgte dafür, dass Margret Cordt in Kempen heimisch wurde. Das sah zunächst ganz anders aus, als sie im Sommer 1969 wegen der Lehrerstelle ihres Mannes in das verschlafene und baulich verfallende Kempen kam: "Am Bahnhof wollte ich gleich wieder weg." Damit die damals 33-jährige Kunsthistorikerin blieb, fragte ihr Mann den Kreisdirektor und Kulturdezernenten des Landkreises Kempen-Krefeld, Walter Böttges, ob er nicht etwas für seine Frau zu tun habe.

 Margret Cordt

Margret Cordt

Foto: W. Kaiser

Böttges gab Margret Cordt zunächst einen dreimonatigen Werkvertrag, und fortan saß sie bis 1974 in einem Erdgeschosszimmer des Kreishauses an der Burg-/Orsaystraße, schräg unter der Beamtenlaufbahn: "So konnte ich sehen, wer da mit einem Kaffee aus der Kantine zurückkam." Die war mit weiteren Kreisverwaltungsbüros im Franziskanerkloster über dem Kramer-Museum untergebracht. "Die Haute Volaute des Kreises saß ja gegenüber in der Burg", erinnert sich schmunzelnd Frau Cordt. Sie arbeitete viele Jahre als Fachbereichsleiterin Kultur bei der Kreisvolkshochschule (VHS) und ist heute Vorsitzende des Kempener Geschichts- und Museumsvereins. In gut zwei Wochen wird die erinnerungsträchtige Beamtenlaufbahn als erster Teil des Kreishauses abgerissen für den Neubau des Klosterhofs. Ein Stück Zeitgeschichte fällt.

Margret Cordt blickt im RP-Gespräch zurück: Ihre Aufgabe war, Kunstausstellungen in dem nüchternen Verbindungsgang mit dem bis heute erhaltenen Charme der 60er Jahre zu organisieren. Sie sollte neue Künstler entdecken. Der bis dahin allein zuständige Herbert Rostock von der VHS, die zugleich als Kreiskulturamt Theater-/Musikveranstaltungen und Studienfahren organisierte, sollte sich um bekannte Aussteller kümmern.

Ihre erste Werkschau im März 1970 galt Jakob Steinhardt, einem Maler aus dem Kreis der Berliner Expressionisten, der als Jude 1933 den Nazis nach Palästina entkommen konnte. Die Holzschnitte hingen an Stellwänden und an der Ziegelmauer der Beamtenlaufbahn. Cordt hielt den einführenden Vortrag. Bis zu ihrer letzten Ausstellung Ende 1974, als sie in die Kreisvolkshochschule wechselte und bis 1998 den Fachbereich Kultur auf- und ausbaute, präsentierte sie praktisch alle vier Wochen eine Vielfalt von Kunst in dem lichten Glasgang. "Ich war immer bemüht, ein breites Spektrum zu zeigen", sagt Cordt. Sie könne zwar selbst nicht malen oder zeichnen, sei aber von klein auf von Bildern fasziniert: "Ausstellungen sollen auch eine Art Unterricht sein, Geschmack zu bilden."

Hier bricht sie eine Lanze für Hobbykünstler: "Ich finde es gut, wenn jemand malt oder töpfert." So zeigte sie 1971 unter dem Titel "Künstler des Kreises Kempen-Krefeld stellen aus" Ölgemälde, Aquarelle, Plastiken, Grafiken. Andere waren schon berühmt, wie HAP Grieshaber. Im März 1973 waren seine Holzschnitte in Kempen zu bewundern — und Kunstfreunde erwarben so schnell alle verkäuflichen Werke, dass für Cordt am Ende keines übrig blieb. Sie bedauert das noch heute, ist aber auf diese große Ausstellung "am meisten stolz". Die ständig wechselnden Präsentationen waren ohne Eintritt täglich zu besichtigen. Nur an den Wochenenden gab es eine Aufsicht: "Aber es ist nie etwas weggekommen." Cordt hatte keinen Etat, die Abrechnung der Kosten lief über die VHS: "Ich musste mich um Geld nicht scheren. Das waren glückliche Tage."

Heute, angesichts des bevorstehenden Abrisses der Beamtenlaufbahn, spürt die 75-Jährige "ein etwas wehes Gefühl". Ein bisschen leid tut es ihr für den gestorbenen Architekten Hannes Martens aus St. Hubert: "Er hat das Kreishaus als Ausdruck seiner Zeit gebaut." Aber sie blickt nach vorn: "Man muss neuen Erfordernissen Rechnung tragen. Die Stadt tut da ihr Bestes."

Und so ist Margret Cordt in Kempen doch heimisch geworden: "Ich habe hier ein schönes Leben."

(RP)
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