Andreas Coenen Landrat will Kreisarchiv in Viersen bauen

Kempen · Im RP-Gespräch erklärt er, warum Viersen von einer Integration seines Stadtarchivs profitieren könnte und wieso er keine Baukosten nennt.

Wo wollen Sie das neue Kreisarchiv bauen?

Coenen Ich habe mich bisher in der Standortfrage zurückgehalten. Aber heute sage ich ganz klar: Wenn die Stadt Viersen mitmacht und ihr Stadtarchiv ins Kreisarchiv integriert, dann werde ich dem Kreistag vorschlagen, das Archiv in Viersen zu bauen. Dafür gibt es gute Gründe: Viersen ist im Kreis die Stadt mit den meisten Einwohnern, das Viersener Stadtarchiv hat allemal die meisten Nutzer - und Viersen ist der Sitz von Stadt- und Kreisverwaltung, das verkürzt die Wege. Und wir wissen, dass insbesondere in Viersen und Willich Heimatvereine das Archiv nutzen. Auch für Willich wäre ein Kreisarchiv in Viersen ein Vorteil, weil es besser zu erreichen ist als Kempen.

Und wenn die Stadt Viersen nicht mitmacht?

Coenen Dann halte ich es für politisch schwer vorstellbar, dass der Kreistag sich für einen Archivneubau am Standort Viersen entscheidet.

Das klingt wie eine Drohung...

Coenen Das soll keine Drohung sein, aber ein Signal. Wenn Viersen mitmacht, werde ich Viersen vorschlagen. Wenn Viersen nicht mitmacht, steigen die Chancen von Kempen und Willich als Standort des Neubaus; immer vorausgesetzt, Willich macht mit. Für Willich gilt natürlich gleiches: Wenn Willich nicht mitmacht, hätte es politisch keine guten Karten als Standort.

Warum sperren Sie sich so gegen eine Filiallösung - ein Kreisarchiv mit Dependancen in Viersen, Willich und Kempen. Das hielte die Wege doch erst recht schön kurz!

Coenen Es würde aber auch zu Lasten der Wirtschaftlichkeit gehen. Das ist ja der Charme des gemeinsamen Kreisarchiv-Neubaus, neben einem besseren Personalschlüssel. Davon würde auch Viersen profitieren. Die Stadt hätte nicht mehr nur einen Archivar, sondern gleich mehrere. Das verbessert die Nutzungszeiten bei Urlaub, Krankheit, Außendienst etc. Und natürlich kann man vereinbaren, dass sich der bisherige Viersener und der bisherige Willicher Archivar auch künftig ausschließlich um das Archivmaterial aus diesen Städten kümmern. An dieser Sorge darf es nicht scheitern.

Viele Nutzer finden kleine Archive attraktiver; die Mitarbeiter kennen sich aus, können sich kümmern...

Coenen Die prinzipielle Angst vor Veränderungen kann ich nicht nehmen. Viersen zum Beispiel hat ein gutes Archiv - aber das will ich ja nicht ändern. Ich will ein Kreis-Bürgerarchiv bauen, in dem die Nutzer willkommen sind. Wir wollen kein Archiv, das sich abschirmt. Ich stehe dafür, dass man die guten Arbeitsbedingungen, die man im Viersener Stadtarchiv vorfindet, in dem Neubau mindestens hält, wenn nicht sogar verbessert. Das Viersener Stadtarchiv ist räumlich begrenzt - das gilt für die Lagerung der Akten, das gilt aber auch fürs Aktenstudium oder Räume, in denen man sich besprechen kann. Das würde in einem neuen Kreisarchiv besser werden. Es wäre auf dem Stand der Technik von morgen und hätte die Räumlichkeiten, die man braucht.

In einem Gastbeitrag im Grenzland-Kurier hatte der Vorsitzende des Vereins für Heimatpflege Ende Mai Bedingungen genannt, die der Kreis erfüllen müsse.

Coenen Hinter all diese Forderungen kann ich einen Haken setzen.

Gehen wir's mal durch: Standort wird Viersen.

Coenen Geklärt.

Es wird die wirtschaftlichere Lösung für die Stadt Viersen...

Coenen Ein gemeinsames Archiv ist wirtschaftlicher. Das kann man auch nicht schlechtrechnen. Wir erhalten 5,1 Millionen Euro als Fördergelder, die unterliegen nicht der Abschreibung. Und auch die Personalkosten: Viersen leistet sich aktuell zwei Archive. Das Kreisarchiv zahlt die Stadt über die Kreisumlage mit, zusätzlich trägt sie die Kosten fürs Stadtarchiv. Wenn wir alle zusammengehen, würde die Stadt Viersen vom Aufwand des Kreisarchivs rund ein Drittel tragen. Das ist weniger als sie jetzt für Kreis- und Stadtarchiv zahlt.

Dritte Forderung des Heimatvereins war eine Aufstockung des Personals...

Coenen Der Verein für Heimatpflege hatte die Sorge, dass das Kreisarchiv die so genannten jüngeren Akten der kreisangehörigen Städte ab 1970 erst künftig archivalisch aufarbeitet. Für fünf von sieben Kommunen ist diese Arbeit aber bereits erledigt; dafür haben wir bereits Personal eingestellt. Es wird also nicht so sein, dass der Viersener Archivar künftig damit befasst sein wird, Nettetaler Angelegenheiten zu bearbeiten. Aktuell haben wir drei Archivare im Kreisarchiv, wenn sich Willich und Viersen beteiligen, wären es künftig fünf.

Nun wird die Entscheidung für oder gegen eine Aufgabe des Stadtarchivs nicht der Verein für Heimatpflege fällen, sie soll kommende Woche im Kulturausschuss der Stadt Viersen fallen. Die Stadtverwaltung verweist vor allem auf die ungeklärte Höhe der Baukosten. Es wird von zehn Millionen Euro gesprochen. Ein nicht ganz unerheblicher Punkt, oder?

Coenen Mir ist wichtig, dass die zuständigen Gremien ihre Entscheidung gut informiert treffen. 5,1 Millionen Euro erhalten wir als Fördermittel. Wir wissen aber nicht, für wen wir planen.

Dann machen Sie doch alternative Planungen!

Coenen Dann komme ich auf der Zeitschiene für den Fünf-Millionen-Euro-Zuschuss nicht hin. Zweitens widerstrebt es mir, nicht unerhebliche Planungskosten für Projekte aufzuwenden, die möglicherweise nicht realisiert werden. Von mir werden Sie erst eine Äußerung über Baukosten erhalten, wenn wir mit der Planung so weit sind, dass wir sie auch seriös beziffern können.

Die Viersener Politiker werden sich schwer tun, einer Sache zuzustimmen, wenn sie die Kosten nicht kennen.

Coenen Dafür habe ich Verständnis. Aber das lässt sich lösen. Sie können einen Vorbehalt einbauen. Grundsätzlich einer Planung zustimmen und wenn die Kosten vorliegen, die endgültige Entscheidung treffen, ob sich Viersen beteiligt oder nicht. Damit hätte ich überhaupt kein Problem.

Für Willicher Schüler wäre ein Archivneubau am Standort Viersen ein Nachteil.

Coenen Aber daran sollte man es doch nicht scheitern lassen! Es ist ja nicht so, als wenn täglich Hunderte Schüler aus Willich ins Archiv fahren. Wir sind ja dazu bereit, dass unser Archivpädagoge in die Schulen kommt. Und für Fahrten von Schulen ins Archiv, das sage ich fest zu, werden wir es nicht an der Finanzierung des Busses scheitern lassen.

BIRGITTA RONGE UND MARTIN RÖSE FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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