Gemeinde Grefrath Mariendonk: Liturgie zum Anziehen

Gemeinde Grefrath · In der Abtei Mariendonk werden liturgische Gewänder weitgehend in Handarbeit hergestellt. Rund 20 sind es im Jahr, jedes kostet um die 2000 Euro. Die Gewinnspanne ist dabei gering. Fahnen sind auch im Angebot.

 So sieht das fertige Messgewand aus.

So sieht das fertige Messgewand aus.

Foto: Kaiser Wolfgang

Liturgische Gewänder aus der Abtei Mariendonk werden in ganz Deutschland getragen. In den Werkstätten der benediktinischen Frauengemeinschaft vom Niederrhein entstehen individuelle Einzelstücke, die noch weitgehend in Handarbeit gefertigt werden. Kostbare, handgewebte Seidenstoffe werden in enger Abstimmung mit den Auftraggebern im Haus vernäht und bestickt. "Dass wir hier Hand in Hand arbeiten können, das ist schon unsere Stärke", sagt Schwester Mirjam Pesch.

Die 57-Jährige lebt seit 38 Jahren in Mariendonk. Sie hat hier das Handwerk der Handweberin erlernt und leitet mittlerweile den gesamten Bereich der Paramentik. Außerdem ist sie Priorin, also die Stellvertreterin der Äbtissin, und Novizenmeisterin. "Als Paramente bezeichnet man alle Textilien im liturgischen Bereich", erläutert sie und zählt auf, was alles dazugehört: Messgewänder, Alben, Dalmatiken, Schultertücher, Chormäntel und Altarwäsche.

 Schwester Mirjam geht in der Abtei Mariendonk ihrer Arbeit am Webstuhl nach.

Schwester Mirjam geht in der Abtei Mariendonk ihrer Arbeit am Webstuhl nach.

Foto: wolfgang kaiser

Mit der zurückgehenden Zahl der Priester nimmt natürlich auch der Bedarf an liturgischen Gewändern ab. "Etwa 20 Messgewänder fertigen wir derzeit durchschnittlich im Jahr", erzählt Schwester Mirjam. Die entstehen im Auftrag von Pfarreien oder als persönliche Gewänder, etwa für Primizianten.

Sie zeigt einige fertige Exemplare, die im Ausstellungsraum im Erdgeschoss der Abtei zu sehen sind. Der handgewebte rote Seidenstoff eines Messgewands ist mit einzelnen blauen und gelben Fäden durchwoben und wirkt dadurch sehr edel und gleichzeitig lebendig. Das Muster wurde beim Weben genauestens dokumentiert, damit es sich auf der Rückseite exakt wiederholt. Das Futteral schimmert in roter Seide.

"Um diesen Stoff zu weben, braucht es 25 bis 30 Stunden, das Nähen dauert auch noch einmal 18 Stunden", schätzt Schwester Mirjam. Um die 2000 Euro kostet ein solches Stück. Die Gewinnspanne für die Schwestern ist dabei aber noch denkbar gering. Und trotz günstigerer Konkurrenzangebote schätzen die Auftraggeber die besonderen Entstehungsbedingungen und die hohe Wertigkeit der hier erzeugten Produkte.

Ein ganz neues Auftragsfeld für die Schwestern hat sich mit der zunehmenden Anzahl von Laien im kirchlichen Bereich entwickelt. Schwester Mirjam zeigt ein schlichtes beigefarbenes Gewand und ein blaues Halstuch aus Seide. "Ein solches Ärmelgewand aus Wolltrevira könnten Frauen tragen, die Wortgottesfeiern leiten oder Beerdigungen vorstehen."

Obwohl dieser Bereich keinem strengen Regelwerk hinsichtlich der Kleidung unterliegt, würden es doch mittlerweile viele vorziehen, ein besonderes Gewand zu tragen. "Damit ist man gleich erkennbar, und die Kleidungsfrage ist auch gelöst", erklärt Schwester Mirjam. "Es geht dabei nicht darum, den Menschen schöner zu machen, sondern die Person tritt hinter der Funktion zurück. Das Gewand zeigt an, dass dieser Mensch in Dienst genommen wurde."

Trotzdem gibt es viel Raum für Individualität. Im Atelier entwirft Schwester Mirjam die Vorlagen für die meist abstrakten Motive, die später auf das Gewand aufgestickt werden. Kleine Handzeichnungen werden gemeinsam mit dem Auftraggeber immer weiterentwickelt, bis die Stickvorlage in Originalgröße fertig ist. "So ein Prozess kann manchmal Monate dauern", berichtet Schwester Mirjam. Unter den Schrägen des Dachbodens stehen fünf hölzerne Handwebstühle. "Die Handweberei wurden in den 1950-er Jahren aufgebaut", erzählt Schwester Mirjam.

Sie zeigt, wie ein Stoff Faden um Faden, oder richtiger Schuss um Schuss aufgebaut wird. Eine Vorlage unter dem Webstück ermöglicht es, in den Stoff farbige Varianten und ganze Muster einzuweben.

Während die ihrer Natur nach eher flächig sind, erfolgen die feineren Aufarbeitungen in der Stickerei unter der Leitung von Schwester Petra Zander. Im großen hellen Arbeitsraum wird an vier Tischen gearbeitet. "Wir können uns im Moment vor Aufträgen mit Fahnen kaum retten", erläutert Schwester Petra. Denn dies ist ein wirtschaftlich sehr wichtiges, weiteres Standbein für die Schwesterngemeinschaft.

Schützenbruderschaften, Chöre oder Pfarreien vom gesamten Niederrhein lassen hier ihre historischen Fahnen reparieren, restaurieren oder geben sie ganz neu in Auftrag. Schwester Petra zeigt eine neue Schwenkfahne aus Baumwollstoff für eine Düsseldorfer Schützenbruderschaft. Die ist bemalt mit einem Bild der Heiligen Familie. Hinzu kommen wichtige Gebäude des Ortes und die Wogen des Rheins.

Ina Zentara aus Nettetal arbeitet an dem Duplikat einer historischen Fahne, deren Restaurierung nicht mehr möglich ist. Wieder im liturgischen Bereich bewegt sich Rotraut Müller, die seit 42 Jahren bllllllei den Schwestern angestellt ist. Sie überträgt die Figurengruppen einer alten Dalmatik llauf einen neuen Unterstoff. Und Schwester Sulivan stickt in feinsten Stichen von Hand filigrane Heiligenfiguren auf ein neues Gewand auf.

Die Franziskanerin kommt aus dem Nordosten Brasiliens und wird hier in Mariendonk zur Paramentenstickerin ausgebildet, bevor sie ihr neu erworbenes Wissen wieder mit zurück in die Heimat trägt. Denn das ist schon etwas ganz Besonderes. Nicht nur in Deutschland, sondern anscheinend sogar weltweit.

(evs)
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