Kempen "Mir geht es nur ein bisschen gut"

Kempen · Kinder trauern anders als Erwachsene, In der Kindertrauergruppe des Deutschen Roten Kreuzes lernen sie, dass sie ihren Gefühlen Raum geben dürfen. Und dass es anderen Kindern genauso geht.

 Die Jungen und Mädchen haben den Vater, die Mutter oder ein Geschwisterkind verloren. Die Trauerbegleiterinnen Christiane zur Nieden und Waltraud Aengenvoort helfen ihnen, ihren Gefühlen Raum zu geben.

Die Jungen und Mädchen haben den Vater, die Mutter oder ein Geschwisterkind verloren. Die Trauerbegleiterinnen Christiane zur Nieden und Waltraud Aengenvoort helfen ihnen, ihren Gefühlen Raum zu geben.

Foto: Busch

Auf dem Boden liegt ein großes blaues Tuch aus Samt. Viele Sterne liegen da, die die Kinder selbst gebastelt und bunt bemalt haben. Zwischen den Sternen liegt ein dicker Stoffelefant. Die Kinder haben ihn Elisa genannt. Wer kuscheln will, greift zu Elisa.

In der Kindertrauergruppe darf jeder mal mit Elisa kuscheln. Einmal in der Woche treffen sich die Jungen und Mädchen zwischen sieben und 13 Jahren, um mit anderen Kindern zu spielen, zu basteln, über ihre Gefühle zu sprechen. Bei den Trauerbegleiterinnen Waltraud Aengenvoort und Christiane zur Nieden lernen sie, dass sie nicht allein mit ihren Gefühlen sind. Dass es normal ist, manchmal sehr traurig zu sein, manchmal wütend vielleicht und manchmal fröhlich, weil gerade etwas Lustiges passiert ist. So erklärt der elfjährige Max, er sei heute "gut gelaunt", die neunjährige Amy sagt, sie sei "glücklich, denn ich hatte heute leichte Hausaufgaben auf", und die zehnjährige Jasmin meint, es gehe ihr "zwischen ein bisschen gut und nicht so gut".

Kinder trauern anders als Erwachsene. Das hat die Sozialpädagogin Waltraud Aengenvoort im Laufe ihrer Tätigkeit als Trauerbegleiterin am Dülkener Bodelschwingh-Hospiz Haus Franz immer wieder festgestellt. Für den Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes Mönchengladbach betreut sie eine Kindertrauergruppe, die sich auch an Jungen und Mädchen aus dem Kreis Viersen richtet. Gemeinsam überlegen die Kinder in zehn Treffen, was sich seit dem Tod des Elternteils oder Geschwisterkindes verändert hat, wie sie mit ihrer Trauer umgehen - und wie andere mit ihnen umgehen.

Auch bastelt jedes Kind eine Schatzkiste, in die es Dinge legen kann, die an den Verstorbenen erinnern - Fotos beispielsweise oder Papas Armbanduhr, eine Kette von Mama, ein Kuscheltier des verstorbenen Geschwisterkindes. Jasmin hat vor einem Jahr ihren Vater verloren. In ihrer Schatzkiste bewahrt sie ein Kuscheltier für ihn auf und hat eine Feder ihres Wellensittichs dazu gelegt. Auch der achtjährige Fynn trauert um seinen Vater. Er hat für ihn ein Bild gemalt und es in die Schatzkiste gelegt.

Bei Kindern kann die Trauer dazu führen, dass sie sich kaum konzentrieren können - ein starker Leistungsabfall in der Schule ist die Folge. Sie können unberechenbar sein, in einem Augenblick sind sie fröhlich, im nächsten Moment weinen sie. "Das Selbstvertrauen schwindet, man hat das Gefühl, die Arme und Beine wären wie Blei", erklärt Aengenvoort. Oft wissen Mitschüler und Lehrer nicht, wie sie damit umgehen sollen. Das hat die zehnjährige Christiane erfahren: "Die anderen Kinder trauen sich gar nicht, über ihre Eltern zu sprechen, wenn ich in der Nähe bin. Sie flüstern." Fynn möchte manchmal einfach in Ruhe gelassen werden. Doch wie ein rohes Ei behandelt werden wollen die Kinder in ihrer Trauer auch nicht: "Das kann nerven, wenn alle so vorsichtig mit einem umgehen und einen anders behandeln als vorher", erklärt Jasmin - auch, wenn man sich durch die Trauer vielleicht manchmal ein bisschen anders verhalte: "Ich glaube, ich bin zickiger geworden."

In der Gruppe ist Stoffelefant Elisa ein guter Knuddelpartner. Zu Hause helfen Mutter, Vater, das Haustier oder ein anderes Stofftier: Fynn kuschelt sich an Mama oder erzählt Familienhund Monte, was ihn bedrückt, Amy kuschelt mit Papa oder ihrem Teddybär, und Jasmin hat eine beste Freundin, die zuhört: "Ihr kann ich alles erzählen."

(RP)
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