Nach der Festnahme von Olaf H. Mirco und die ungeklärten Fälle

Nach der Festnahme von Olaf H. · Nach der Festnahme von Olaf H. untersucht die Polizei ungeklärte Mordfälle an Kindern aus der Vergangenheit. "Routinemäßig" betonen die Beamten. Dabei konzentrieren sich die Ermittlungen auf den Fall der elfjährigen Claudia Ruf aus Grevenbroich.

Trauerfeier für Mirco
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Foto: dapd

Gerd Meister (52) ist ein erfahrener Strafverteidiger. Er war Anwalt in spektakulären Mord- und Sexualstrafverfahren, etwa im Libyen-Giftgas-Verfahren und im Düsseldorfer Hells Angels-Prozess. Er vertrat auch die Männer, die Beutegeld aus der Entführung des Millionenerben Philipp Reemtsma in Umlauf brachten. Meister hat keine Angst vor scheinbar aussichtslosen Fällen.

Vielen ist noch sein Auftritt vor dem Landgericht Mönchengladbach in Erinnerung, als er Erol P. verteidigte, der nach einem Sorgerechtsprozess Frau und Tochter erschoss. Doch einem Mann wie Olaf H. ist auch Meister noch nicht begegnet. Seit eine Kollegin ihr Mandat niederlegte, kurz nachdem H. den Mord an dem zehnjährigen Mirco gestanden hatte, vertritt Meister den 45-jährigen Familienvater aus Schwalmtal.

"Wenn man sich mit H. unterhält, bekommt man den Eindruck, dass die Tat ihm völlig wesensfremd ist", sagt Meister. Aus der Biographie des Mannes heraus gebe es keine Hinweise, die ein solches Gewaltverbrechen erklären könnten. Ingo Thiel, der Leiter der Soko Mirco, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Seine Leute befragten Ehefrau und Kinder des zweimal Geschiedenen. Doch weder H.'s jetzige Frau noch seine beiden Ex-Frauen berichteten von sexuellen Abartigkeiten oder einem Hang zur Gewalttätigkeit. Laut Meister habe H. eine behütete Kindheit in Korschenbroich erlebt. Allerdings habe sein Mandant ihm gegenüber einmal Andeutungen eines sexuellen Missbrauchs gemacht. "Aber er wollte darüber nicht weiter sprechen."

Warten auf das psychologische Gutachten

Weder der Anwalt noch die Ermittler können sich vorstellen, dass ein Mensch ohne jegliche vorherige Anzeichen im Alter von 45 Jahren von einem Tag auf den anderen zum erbarmungslosen Kindermörder wird. "Wahrscheinlich wird man tief graben müssen, um an die Ursachen für die Tat zu gelangen", sagt der Verteidiger. Er wartet nun darauf, dass ein Psychologe H. begutachtet.

Aus ganz Deutschland sind in den vergangenen Tagen im Mönchengladbacher Polizeipräsidium Anfragen von Mordkommissionen eingegangen, die ungelöste Verbrechen an Kindern bearbeiten. Dieser Abgleich sei reine Routine, hatte Thiel in der Pressekonferenz nach der Festnahme von H. betont. Doch kurz darauf hatte er selbst die Bedeutung des Falles "Claudia Ruf" hervorgehoben. Anders als zunächst aus Polizeikreisen verlautete, schließt ein DNA-Abgleich H. nicht als Täter aus.

Laut Peter Aldenhoff von der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach stimme die bei der Elfjährigen gefundene DNA zwar nicht mit der von H. überein, jedoch gebe es andere Spuren, die noch ausgewertet werden müssten. "Die Ermittlungen laufen noch", sagt Aldenhoff. Die Schülerin Claudia Ruf war am 11. Mai 1996 vom Gassigehen mit einem Nachbarshund nicht nach Hause gekommen. Zwei Tage später wurde die halb verbrannte Leiche des entführten Kindes auf einem Feldweg bei Euskirchen gefunden.

H. gehört schon allein deshalb zum Kreis der Tatverdächtigen, weil Morde an Kindern, vor allem solche, bei denen es zuvor keine Beziehungen zwischen Täter und Opfer gibt, extrem selten sind. Zudem war es H. nach eigenen Angaben gleich, ob ihm am 3. September ein Junge oder ein Mädchen in die Hände fallen würde. H. war als beruflich viel unterwegs — auch dort, wo Claudia verschwand.

Ganz sicher wird die Polizei auch die Akte Deborah Sassen noch einmal durchgehen. Die Achtjährige war am 13. Februar 1996 auf dem Weg vom Schwimmunterricht nach Hause in Düsseldorf-Wersten verschwunden.

Möglicherweise gehen die Ermittler sogar noch weiter zurück. Dabei dürften sie auf den Fall Martina Möller stoßen. Die Zehnjährige aus Neukirchen-Vluyn wurde im Mai 1986 missbraucht und erwürgt in der Nähe der A 40 gefunden — rund 15 Kilometer Luftlinie von der Stelle entfernt, an der Olaf H. Mirco leblos zurückließ.

(RP)
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