Serie Mein Jahr In Kolumbien Momente aus meinem Tagebuch

Kempen · Die Grefratherin Inga Trost engagiert sich seit fast einem Jahr als Freiwillige in Kolumbien. Sie arbeitet seit Februar mit Bambuspflanzen auf dem Land. Im September wird die 23-Jährige nach Deutschland zurückkehren.

BUGA/GREFRATH In Dortmund, wo ich studiert habe, da war es ziemlich einfach. Ich ging über die Straße und konnte im Supermarkt einkaufen. Hier ist das etwas anders. Ich lebe auf dem Land, in einem kleinen Dorf nahe Buga, einer kolumbianischen Pilger-Stadt. In dem Dorf sind gerade einmal zwei Kioske, die wie Tante-Emma-Läden einiges anbieten. Man kann hier auch alles einzeln bekommen, etwa einen Schwamm oder ein Ei. Für den wöchentlichen Einkauf ist das aber zu wenig.

Ich ziehe mir den Rucksack an, creme mich großzügig mit Sonnenschutz ein und gehe los. Motorräder rasen vorbei und hinterlassen Staub. Eine kleine schwarze Hündin ist stets an meiner Seite und läuft mit. Es ist heiß in der prallen Sonne. Wenn ich Glück habe, kommt ein Motorrad oder ein Auto vorbei, das mich mitnimmt. Das passiert oft. Auf dem Weg laufen die Dialoge normalerweise gleich ab, es sei denn, ich kenne die Menschen. Ansonsten sind es die üblichen Fragen: "Wie ist Kolumbien?... Bist du zufrieden hier? Schmeckt dir das Essen? Kannst du schon Salsa tanzen? Wo hast du Spanisch gelernt?"

In Buga kaufe ich ein, so viel ich tragen kann. Auf der Straße winken die Motorradfahrer, um eine Fahrt zu verkaufen und die Taxifahrer brüllen mich an: "Taxi?". Manchmal fahre ich Taxi, aber lieber bleibe ich noch in Buga. Dann fahre ich mit dem nächsten Bus hinaus zu dem Haus von Javier und Sofia. Die Beiden kenne ich durch Asobambu, meine Einsatzstelle auf dem Dorf.

Die Busse können sehr klein sein. Es gibt keine Unternehmen, sondern Fahrer, die ihren eigenen Bus besitzen und damit Leute herumfahren. Beim Einstieg heißt es Bücken, denn hier ist es niedrig und das will bei meiner Größe von stattlichen 1,54 Meter schon etwas heißen. Die Tüten nehmen mir manchmal freundliche Fahrgäste ab, die sitzen. Sie laden die Tüten auf ihren Schoß. Während der Fahrt reiche ich das Fahrgeld dem Fahrer nach vorne. Ich passe gut auf, den in Kolumbien bestimmt der Passagier, wo die Bushaltestelle ist: dort, wo ich "hier bitte" rufe. Sofia und Javiers Haus ist für mich fast ein Zuhause, wo ich immer hinkommen kann, wenn ich möchte - ohne zu klingeln oder vorher Bescheid zu sagen. Wenn zu wenig Essen da ist, wird die Suppe eben mit Wasser gestreckt.

Javier ist bei Asobambu der Repräsentant. Mit ihm arbeite ich seit Februar zusammen. Er ist eigentlich Handwerker für die schönen, detailreichen Dinge, die er aus dem Bambus Guadua anfertigt. "Der Guadua ist für mich wichtiger als meine Familie, weil ich damit anderen Familien helfen kann", sagt er. Und er kann der Umwelt damit helfen. Das sind zwei Hauptziele von Asobambu, wo die Guadua-Pflanzen aufgezogen und verarbeitet werden: Guadua pflanzen und durch seine regulierenden Eigenschaften Wasser speichern und CO2 binden. Aber auch Jugendlichen zu Arbeit verhelfen und ihnen zu zeigen, wie sie mit Guadua arbeiten können.

Aus dem Dorf sind schon viele in das Projekt einbezogen. Es sollen mehr werden. Daher organisiere ich bei Asobambu Treffen mit den Erwachsenen, Malkurse mit Kindern und kostenlose Ausbildungskurse mit allen, die möchten. Javier macht all das mit größter Ruhe. Er steht morgens um sechs Uhr auf, trinkt einen Kaffee, schwingt sich aufs Motorrad und grüßt jeden, den er kennt mit Hupen und Rufen. Lachend kommt er dann im Dorf an. Meistens ist das seine erste Station des Tages, bevor er dann mit seinem Motorrad überall hinfährt und baut oder pflanzt. Um sieben oder acht Uhr abends ist er zu Hause und setzt sich manchmal aufs Sofa und schaut die typischen Telenovelas im Fernsehen. Sie laufen den ganzen Tag, ihre Geschichten behandeln einfache Inhalte.

Für mich mit meinen Einkaufstüten ist es praktisch, dass Javier um diese Zeit zuhause ist. Er kann mich am nächsten Tag mit ins Dorf nehmen und ich solange mit ihm über Guadua und die Welt sprechen.

(RP)
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