Stadt Kempen Politiker wollen Ausnahmen bei Pkw-Maut

Stadt Kempen · Nach langen Diskussionen soll die Maut in Deutschland nun doch eingeführt werden. Händler und Dienstleister fürchten Einbußen. Politiker aus dem Kreis Viersen drängen auf Sonderregeln für den grenznahen Verkehr.

Nach monatelangen Verhandlungen hatten sich Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und die EU-Kommission im vergangenen Monat auf einen Kompromiss bei der Pkw-Maut geeinigt. Im Januar will das Bundeskabinett das geänderte Gesetz beschließen, das danach in den Bundestag gebracht werden soll. Aller Voraussicht nach wird die umstrittene Pkw-Maut also kommen - nach Plänen der Bundesregierung soll das Gesetz in der kommenden Legislaturperiode in Kraft treten.

Politiker aus dem Kreis Viersen fordern deshalb, dass bei der Gesetzesänderung nicht nur die Vorgaben der EU-Kommission berücksichtigt werden, sondern dass es auch Ausnahmen für den Grenzverkehr geben soll. "Die Region lebt von der offenen Grenze und dem freien Personenverkehr. Wenn die Pkw-Maut kommt, dann soll die Grenzregion entlastet werden", sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Viersen, Uwe Schummer aus Neersen. Er unterstützt daher Vorschläge wie den der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), in grenznahen Bereichen eine Ausnahme von der Mautregel zu erreichen. "Solche Vorschläge will ich in die parlamentarische Diskussion einbringen", erklärt Schummer. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner aus Kempen befürchtet negative Auswirkungen für die Menschen im täglichen Leben und für die "Freizügigkeit" des Arbeitsmarktes. Schon 2014 hatte der Verkehrsexperte Sonderregelungen für den grenznahen Verkehr gefordert. Denn immerhin wären rund 60.000 niederländische Arbeitnehmer in der Region tätig und viele Betriebe auf den Pendlerverkehr und den Besuch der Niederländer angewiesen.

Bürgermeister aus dem Grenzland wie das Nettetaler Stadtoberhaupt Christian Wagner erwarten, dass mit Einführung der Pkw-Maut das deutsch-niederländische Grenzgebiet Nachteile erfahren würde. Die größten Bedenken bestehen darin, dass die Maut zu Lasten der Wettbewerbsvorteile innerhalb des deutschen Grenzgebietes gehen. Vor allem träfen sie die niederländischen Pendler, die zum Arbeiten oder für eine Ausbildung nach Deutschland kommen. Auch der deutsche Einzelhandel sowie deutsche Dienstleister könnten durch die Maut Einbußen erfahren, weil für niederländische Kunden der Ausflug über die Grenze für Shoppen oder Freizeitvergnügen nicht mehr so reizvoll sei.

Einzelhändler und Gastronome auf deutscher Seite fürchten um die guten Umsätze, die niederländische Kunden bringen. Die schätzen das Angebot des Handels auf deutscher Seite und die teilweise günstigeren Preise. Durch die Pkw-Maut könnte der Preisvorteil zunichte gemacht werden, außerdem sei es psychologisch von Nachteil, wenn die Niederländer für die Fahrt zum Einkaufen erst einmal bezahlen müssten. "Die Pkw-Maut ist eine Extra-Hürde für den Grenzverkehr", erklärt Andy Dritty, Geschäftsführer der Euregio Rhein- Maas-Nord - in dem Verband arbeiten deutsche und niederländische Kommunen und Handelskammern zusammen. "Wir wollen, dass der grenzüberschreitende Verkehr wächst, dass beide Länder wirtschaftlich zusammenwachsen und dass Menschen im Nachbarland Arbeit finden", sagt Dritty. "Da ist es ein falsches Signal, solch eine Hürde einzurichten." Die Euregio Rhein- Maas-Nord schrieb bereits 2014 einen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, in dem gefordert wird, bei der Mauterhebung Sonderregelungen im grenznahen Gebiet einzuführen. Neben den geschäftsschädigenden Folgen der Pkw-Maut, die eintreten könnten, bemängelt der Verband auch die negative Signalsetzung gegenüber den niederländischen Nachbarn, zur Begrüßung eine Gebühr zu verlangen.

Lutz Mäurer von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein ist da vorsichtiger. Die Einführung der Maut sei auch eine Chance, Mittel für die Entwicklung der Infrastruktur zu generieren, sagt er. Noch gebe es kein Gesetz, demnach sei es zu früh, über Mehrbelastungen zu spekulieren.

Aus der EU-Kommission zumindest ist zu vernehmen, dass es Spielraum für Ausnahmen im Grenzgebiet gibt und die Straßennutzungsgebühren dort teilweise entfallen könnten.

Auf die hofft auch die Händlerschaft in Kempen. Denn die Thomasstadt ist - nicht nur zu Stadtfesten oder zum Weihnachtsmarkt - ein beliebtes Einkaufsziel für viele Niederländer. Der Kempener Werbering hat in den vergangenen Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, in den Niederlanden Werbung für "Königlich Shoppen" in der Thomasstadt zu machen. Es wurden spezielle Broschüren und Zeitungen in niederländischer Sprache aufgelegt und beispielsweise in Venlo oder anderen niederländischen Grenzorten an Einheimische verteilt. Die Niederländer danken es der Kempener Kaufmannschaft. Sie schätzen neben den teilweise günstigeren Preisen vor allem die fachliche Beratung, die unter anderem sogar in Niederländisch angeboten wird. Auch die Kempener Gastronomie schätzt die niederländischen Gäste, wie Armin Horst, Vorsitzender des Kempener Werberings und Altstadtwirt, immer wieder gerne betont. Für die Niederländer ist Kempen von Venlo aus über die Autobahn 40 schnell und - ohne Pkw-Maut - preisgünstig erreichbar.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort