Serie Freilichtmuseum Dorenburg Spannende Geschichten aus dem Tante-Emma-Laden

Kempen · In einer Serie stellen wir die Bestandteile des Freilichtmuseums vor. Heute ist die Hofanlage Waldniel an der Reihe. In dem historischen Haus ist der Tante-Emma-Laden daheim, in ihm pulsiert das Leben.

 Im Tante-Emma-Laden von Monika Schommer kann man eine nostalgische Zeitreise unternehmen.

Im Tante-Emma-Laden von Monika Schommer kann man eine nostalgische Zeitreise unternehmen.

Foto: wolfgang kaiser

grefrath Für 20 Cent Brotbonbons, für 10 Cent Veilchenpastillen und für 50 Cent Knuspermünzen - solche Wünsche erfüllen sich im Tante-Emma-Laden des Niederrheinischen Freilichtmuseums. Wenn Monika Schommer zu den weißen dreieckigen Papierchen greift, sie zu einer Tüte faltet, mit den schmalen Schaufeln in die jeweiligen Bonbongläser fährt, die gut sichtbar auf der Theke stehen, und je nach Einkaufswunsch die bunten Zuckertüten zusammenstellt, dann strahlen nicht nur Kinderaugen.

Mit dem Finger auf die Gläser zeigen und sich nach Lust und Laune die Süßigkeiten aussuchen, danach in die gefüllte kleine Tüte greifen und schlemmen - wem macht das keinen Spaß? Das ist aber nicht das einzige historische Erlebnis in der Hofanlage Waldniel, die in dem reetgedeckten Haus den Tante- Emma-Laden beherbergt. Wer durch den kleinen Bauerngarten mit seinen Buchsbaumhecken auf die Vorderseite des Hauses zugeht, der blickt auf einen Feldbrandsteinwand aus dem Jahr 1785. Wie der Name Waldniel dabei schon sagt, stand die Hofanlage einst in Schwalmtal-Waldniel.

Sie demonstrierte im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung ein Stück Reichtum, "denn wer sich Feldbrandsteine leisten konnte und nicht auf einen Lehmbewurf zurückgreifen musste, der hatte Geld", sagt Museumsleiterin Anke Wielebski. Die große Scheune gegenüber dem Lädchen ist auf 1790 datiert und stammt von einem niederrheinischen Hof. Die kleine Scheune geht auf das Jahr 1802 zurück. Eine Rekonstruktion ist hingegen die Kutschenremise. Zeitlich ist sie ebenfalls im 18. Jahrhundert anzusiedeln.

Alte landwirtschaftliche Gerätschaften und Kutschen in den Gebäuden erzählen Geschichte. Aber das meiste erfährt der Besucher, wenn er den Laden betritt. Der ist nämlich eine historische Fundgrube und bietet noch viel mehr als Bonbons aus dem Glas, etwa früher eingekochte Wurst, Honig von den Museumsbienen, selbst gestrickte Socken und Rübenkraut, dem Brotaufstrich der Region und das schon seit Hunderten von Jahren. Bei einem Stück hausgemachten Kuchen und einer Tasse Kaffee können sich die Besucher, begleitet von Monika und Dieter Schommer, die den Laden seit Jahren betreiben, in die Vergangenheit entführen lassen.

Zu jedem Gegenstand im Laden gibt es eine Geschichte. Der alte Holzlöffel mit seinen feinen Ornamenten ist nicht nur einfach ein Löffel. "Er hat meinem Großvater gehört, der ihn aus der Gefangenschaft während des Ersten Weltkrieges mit nach Hause gebracht hat", berichtet Monika Schommer. Der alte Tornister aus Holz hat keine minder interessante Geschichte. Er gehörte einst dem Urgroßvater von Dieter Schommer, der damit Anfang des 19. Jahrhunderts seinem Beruf als Barbier und Quacksalber nachging. "In dem Kasten transportierte er seine Haarschneideutensilien", verrät Schommer.

Wie die ersten Kühlschränke einst mit Eisblöcken befüllt worden, um eine vernünftige Kühlung der Lebensmittel zu erreichen, verdeutlicht das entsprechende Modell. Die alten Blechschilder, das Butterfass zum Drehen, der große Holzschrank mit seinen unzähligen Schätzen - eins sollte man beim Besuch mitbringen und das ist Zeit. Wer noch nie eine Eierwaage gesehen hat, kann diese Wissenslücke ebenfalls füllen, und was es mit den Zigarrenbrettern auf sich hat, ist nicht minder interessant. Blechspielzeug weckt den Wunsch, es auch einmal in die Hand zu nehmen, aufzudrehen und losrattern zu lassen.

Und dann gibt es da noch etwas ganz besonderes an der Hofanlage Waldniel. Etwas, das aber schnell übersehen wird, wenngleich ein altes Holzschild darauf hinweist. Es handelt sich um den Kräutergarten. Vom Nabu Grefrath reaktiviert, liegt die gepflegte Anlage direkt hinter der Hofanlage Waldniel. Ob der Eingang, ein Stückchen neben dem Laden liegend, oder das eher unscheinbare Holztörchen zwischen Wohnhaus und Kutschenremise eingepfercht, beide Wege führen in eine wahre Blüten- und Duftpracht. Auf der langen Holzbank sitzen, im Rücken die von der Sonnen angewärmten Mauersteine der Hofanlage spüren, entspannt die Augen schließen und nur auf die Summ- und Brummgeräusche der Insekten achtend oder lieber entlang der Beete schlendern und die Finger in das kühlende Nass im alten Wasserbottich halten - der Kräutergarten verzaubert auf seine Weise.

Wer an einem Mittwoch Zeit hat, der sollte auf keinen Fall die Kräuterhexe verpassen. Von April bis Oktober ist sie nämlich von 15 bis 17 Uhr im Garten anzutreffen und lässt die Besucher an ihrem Wissen teilhaben.

(tref)
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