Kempen Spongebob Schwammkopf als Stuhl

Kempen · Eine Ausstellung der Kinder- und Jugendpsychiatrie zeigt handelsübliche Stühle, die Patienten nach ihren eigenen Ideen gestaltet haben. Während des Schaffens lernten die Jugendlichen auch eine ganze Menge über sich selbst.

 Kunsttherapeutin Tutta Oxley gründete vor fünf Jahren das Kunstprojekt "Sommer-Atelier" in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Viersen.

Kunsttherapeutin Tutta Oxley gründete vor fünf Jahren das Kunstprojekt "Sommer-Atelier" in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Viersen.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Der Duden definiert ihn so, den Stuhl: "Mit vier Beinen, einer Rückenlehne und gelegentlich Armlehnen versehenes Sitzmöbel für eine Person." Dass alltägliche Möbelstücke auch anders gestaltet und ganz besonders in Szene gesetzt werden können, zeigte jüngst die Ausstellung des Klinikverbunds des Landschaftsverbands Rheinland (LVR). Die Jugendlichen der Stationen K4, K5 und K12 nutzten das künstlerische Sommerferienprojekt "Sommer-Atelier", um sich kreativ und mit Begeisterung der individuellen Umgestaltung von Stühlen zu widmen. Dabei erschufen sie wahre Kunstobjekte, die in einer Vernissage in der Cafeteria der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Viersen präsentiert wurden.

Unter dem Motto "Auf die Stühle, fertig los ...!" hatten die Jugendlichen die Gelegenheit, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen. Mit unterschiedlichen Materialien wurden normale Stühle, Hocker und Klapp-Stühle auf ihre Verwandlung vorbereitet. "Es musste richtig gearbeitet werden", sagt Tutta Oxley. Die Kunsttherapeutin leitet das Projekt. "Zunächst standen Abschleifen, Schmirgeln und Grundieren auf dem Programm. Denn die Basis muss stimmen, um danach an den Feinschliff zu gehen", erzählt sie. Es sei ein Werdungsprozess, einem Stuhl ein völlig neues Antlitz zu geben. "Die Kinder haben von Mal zu Mal mehr Begeisterung und Freude gezeigt. Ihre Kreativität kannte keine Grenzen, und einige konnten es kaum abwarten, bis sie an ihrem Stuhl weiterarbeiten konnten", sagt Tutta Oxley, die vor fünf Jahren das Kunstprojekt "Sommer-Atelier" ins Leben gerufen hat und es seither auch begleitet. "Hier waren Ausdauer, Kontinuität und strukturiertes Arbeiten gefragt."

Den geschaffenen Kunstobjekten, denn als solche kann man sie gut und gerne bezeichnen, liegt ein jeweils individueller Schaffungs- und Transformationsprozess zugrunde. Während der Beschäftigung mit dem symbolischen Nutzen eines Stuhls, nämlich seinen Platz im Wohnraum beziehungsweise im Leben zu finden und auszufüllen, welchen Sinn und Zweck sein Dasein hat und was gerade ihn so besonders macht, konnten sich die Jugendlichen, die sich stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie befinden, mit ihrer eigenen Persönlichkeit auseinandersetzen. Und sie erzählten von Emotionen während des Arbeitens, die sie auch mit ihrer eigenen Geschichte in Verbindung brachten.

Eine futuristische Zeitmaschine, eine blumige Gartenleiter, ein glamouröser, pinkfarbener Prinzessinnenstuhl oder als himmlische Sitzgelegenheit herausgeputzt - jeder Stuhl ist etwas ganz Besonderes und wirkt auf seine Art, bringt den Betrachter zum Nachdenken darüber, was wohl die jungen Künstler auf die originellen Gedanken, Formen, Muster und Farbspiele gebracht haben mag. Einige von ihnen erzählen gerne über das, was sie geschaffen haben.

"Bei mir stand anfangs noch gar nicht fest, wie das Endergebnis aussehen würde", berichtet etwa Lennart. "Ich habe mich einfach treiben lassen. Die Ideen kamen nach und nach und mit ihnen auch die Erkenntnisse darüber, was alles an Kreativität in mir steckt und was ich damit erreichen kann", sagt der 17-Jährige. Stolz zeigt er seine beiden Stühle. Einer ist in knallbunten Farben gehalten, während der andere eine Zeitmaschine mit viel Aluminium und Technik darstellt.

Der 16 Jahre alte Nino meldete sich freiwillig für das Kunstprojekt. "Ich hatte irgendwie Bock darauf, etwas mit meinen Händen zu machen", sagt er. Seinen Stuhl hat er der Comic-Figur Spongebob Schwammkopf gewidmet. "Ich finde den einfach cool und habe ihn früher immer im Fernsehen gesehen. Ich mag die Geschichten einfach", sagt er. Ihm gefällt das Kunstprojekt: "Das ist klasse, ich würde es jedes Mal wieder tun."

Auch Celina (16) war von den Emotionen während des Arbeitens an ihrem Stuhl überrascht. "Ich wusste eigentlich nur, dass es für mich ein Glamour-Stuhl sein muss", sagt sie. "Dann überkam mich plötzlich eine Riesenwut und ich habe die irgendwie an dem Stuhl ausgelassen, wollte nur schnell fertig werden. Aber dann habe ich beim Tupfen gemerkt, es gefällt mir, den Stuhl zu verwandeln. Der wurde immer schöner, denn ich habe glitzernde Sterne und Strass-Diamanten hinzugefügt, pinke Federn daran geklebt und auf einmal war ein richtiger Prinzessinnen-Stuhl entstanden", sagt Celina stolz.

Die jugendlichen Künstler dürfen ihre Kunstwerke mitnehmen, und alle freuen sich darauf, "ihren" verwandelten Stühlen einen besonderen Platz in ihren Zimmern zu geben.

(RP)
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