Klaudia Schleuter "Sportstunden fallen oftmals zuerst aus"

Kempen · Im Rahmen der Kampagne "Das habe ich beim Sport gelernt" lädt der Kreissportbund für den 1. Februar zu einer Diskussionsrunde ein. Die Geschäftsführerin des Kreissportbundes möchte die heimischen Sportvereine noch stärker als Bildungsträger positionieren.

 Klaudia Schleuter mit Bildern, mit deren Hilfe der Landessportbund für seine Kampagne "Das habe ich im Sport gelernt" wirbt.

Klaudia Schleuter mit Bildern, mit deren Hilfe der Landessportbund für seine Kampagne "Das habe ich im Sport gelernt" wirbt.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Kreis Viersen Im Sommer 2015 startete der Landessportbund die Kampagne "Das habe ich beim Sport gelernt". Das Ziel dabei: Bei politischen Entscheidungsträgern und bei der restlichen Bevölkerung zu verankern, dass in Sportvereinen mehr vermittelt wird als sportmotorische Fähigkeiten. Die Vereine sollen als gleichberechtigte Partner im Bildungssystem positioniert werden. Seit dem Start hat sich schon viel getan, und es sind bundesweit noch viele Aktionen geplant. Beim Kreissportbund Viersen laufen derzeit die Vorbereitungen für die Diskussionsrunde "Im Sport steckt Bildung" am 1. Februar im Forum des Kreishauses Viersen auf Hochtouren. Über die Kampagne insgesamt und darüber, was die Besucher der Diskussionsrunde erwartet, sprach die Rheinische Post mit der Geschäftsführerin des Kreissportbundes Viersen, Klaudia Schleuter.

Frau Schleuter, wie haben Sie reagiert, als Sie erstmals gehört haben, dass der Landessportbund eine solche Kampagne auf den Weg bringen möchte?

Schleuter Als Sportwissenschaftlerin und Sportlerin weiß ich, dass Sport sehr viel mehr ist als Bewegung und wie wichtig gerade diese Bewegung für die persönliche Entwicklung ist. Sport wird im Bildungsbetrieb oft nebensächlich behandelt, was zuerst ausfällt, sind oftmals die Sportstunden. Dabei vermittelt Sport so viel mehr: viele der so genannten Soft Skills, Kinder lernen Teamplayer zu sein, Verantwortung zu übernehmen und mit Erfolgen und Niederlagen umzugehen. Die Kampagne des Landessportbundes transportiert ein komplexes Thema sehr bildhaft und persönlich. Jeder kann sich selbst fragen: "Was habe ich beim Sport gelernt?". Natürlich gab es zuerst Zweifel, ob die Botschaft auch ankommt, aber in der Form, wie sie jetzt transportiert wird, gibt es sehr viel positive Resonanz.

Wo sehen Sie die Gründe dafür, dass zwischen körperlicher und geistiger Entwicklung trotz zahlreicher wissenschaftlicher Erkenntnisse häufig noch so strickte Trennlinien gezogen werden?

Schleuter Die beim Sport erzielten, langfristigen Lerneffekte sind nicht so leicht abfragbar wie erlernte Vokabeln. Daher wird er oft als minderwertig angesehen. Eine Sportart zu erlernen, fordert Kinder und Jugendliche aber tatsächlich in der gleichen Weise, wie es zum Beispiel das Erlernen einer Fremdsprache macht. Das Ungleichgewicht entsteht natürlich auch durch ein entfremdetes Körperbild, das den Körper nur als Mittel zum Zweck und nicht als Basis sieht.

Die Kampagne des Landessportbundes läuft schon mehr als ein Jahr. Gibt es schon Erfolge zu vermelden, auch bei uns im Kreis Viersen?

Schleuter Sportvereine sind auch im Kreis Viersen bereits in das Bildungssystem eingebunden. Der Kreissportbund koordiniert mehr als 40 Angebote im Offenen Ganztag an zwölf Schulen im Kreis Viersen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Kooperationen unserer Mitgliedsvereine, die vom Verein direkt koordiniert werden. Wir wollen mehr! Unsere Zukunftsvision: Wenn der Sport anerkannter Bildungsakteur wäre, dann würde die Gestaltung des Sports in den Städten und Gemeinden eine gemeinschaftliche Aufgabe sein. Dies würde bedeuten, dass der Sport in alle Gremien vor Ort eingebunden wäre und er alle Entscheidungen, den Sport betreffend, aktiv mitgestalten könnte.

Dass eine große Diskussionsrunde vorbereitet wird, spricht dafür, dass der Kreissportbund noch Potenzial für weitere Aktionen sieht.

Schleuter Mit einer Veranstaltung ist es da natürlich nicht getan, wir sehen die Diskussionsrunde am 1. Februar als Auftakt für langfristige Kooperationen und dauerhafte Zusammenarbeit mit Schulen, Kindergärten, aber auch Städten und Gemeinden. Der Kreissportbund sieht sich als Vermittler zwischen Planung und Umsetzung, wir koordinieren Zusammenarbeiten und wünschen uns langfristige Projekte.

Diskussionsrunden bringen oft interessante Ansätze und Ideen, die dann aber nicht verfolgt werden. Wie wollen Sie das verhindern?

Schleuter Um unser Selbstverständnis als Bildungsakteure und Bildungspartner weiter zu entwickeln, wollen wir uns mit den Verantwortlichen verständigen und möglichst konkrete Verbesserungen für die Bildungsarbeit der Sportvereine erreichen. Die Veranstaltung ist der Auftakt. Die Gespräche sollen zu konkreten Absprachen führen.

Wie wird die Veranstaltung aufgebaut sein?

Schleuter Zunächst haben die Besucher im Foyer des Kreishaus-Forums in Viersen die Möglichkeit, sich bei einem "Markt der Möglichkeiten" über gelungene Kooperationen zwischen Bildungsinstitutionen und Vereinen zu informieren. Vor der Diskussion wird der Sportmediziner Professor Wildor Hollmann aus Brüggen einen kurzen Vortrag halten. Dann werden wir uns mit der kurzen Vorstellung unseres Bildungsprofils darüber verständigen, wie wir für die Bedeutung von Bildung im Sport Öffentlichkeit erreichen können. Wir werden uns über den Beitrag des Sports und vor allem über die Herausforderungen und notwendigen Unterstützungen austauschen. Dazu wird es eine moderierte Diskussion mit Podiumsgästen geben. Die Zuschauer sind aufgefordert, sich mit Fragen, Anregungen und Beispielen aus ihrem Erlebten einzubringen.

Was genau bietet der "Markt der Möglichkeiten"?

Schleuter Gute Beispiele und Ideen für die Kooperation der Bildungspartner werden vorgestellt. Zum Beispiel Kooperationen von Sportvereinen mit Kindertagesstätten und mit Schulen im offenen Ganztag, das Kinderbewegungsabzeichen oder das Programm "Anerkannter Bewegungskindergarten" und vieles mehr.

Professor Hollmann ist eine Koryphäe der Sportwissenschaft, können Sie schon sagen, worum es bei seinem Vortrag gehen wird?

Schleuter Professor Hollmann referiert über die Bedeutung von Bewegung, Spiel und Sport für die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Er präsentiert die Notwendigkeit von Sport aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel und stellt den Zusammenhang zur Bildung auch innerhalb der Sportvereine her.

Wissen Sie schon, wer alles über den Sport als Bildungspartner diskutieren wird?

Schleuter Zugesagt haben schon Ansgar Wessling, Olympiasieger im Rudern, und der aus Süchteln stammende TV- und Radiomoderator Dieter Könnes. Dazu kommen Politiker und der Landrat sowie Vereinsvertreter und Vertreter aus dem Schulwesen - darunter auch Lehrer und Schulräte.

Zum Abschluss darf eine Frage nicht fehlen. Was haben Sie eigentlich beim Sport gelernt?

Schleuter In meiner Jugend habe ich über Turnen, Schwimmen und Sportspiele Haltungen und Einstellungen wie Leistungsbereitschaft, Vertrauen, Teamgeist und Respekt erfahren. Als Spielertrainerin im Volleyball hab ich gelernt, mich auch mit der Niederlage nach einem Wettkampf auseinanderzusetzen. Das bedeutet, darüber nachzudenken, was die Niederlage verursacht hat, was das für den nächsten Wettbewerb und die Trainingseinheiten bedeutet. Außerdem habe ich beim Sport viel Spaß, Freude und einen wichtigen Ausgleich erfahren.

(RP)
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