Gemeinde Grefrath Spurensuche auf der Hohen Straße

Gemeinde Grefrath · Ein schwedischer Journalist suchte das Haus an der Hohen Straße, in dem einst die jüdische Familie Willner gelebt hat. Mit Irmgard Tophoven und Herbert Küsters machte er sich auf die Suche. Es half der Zufall in Form von Manfred Birk.

Neulich bekam Herbert Küsters, der ehemalige Vorsitzende des Grefrather Heimatvereins, eine ganz besondere E-Mail. Sie kam vom schwedischen Journalisten Leif Möller aus Ystad. Im Anhang waren Fotos, unter ihnen eines aus dem Jahr 1909 mit der Ansicht eines Grefrather Hauses. Möller erkundigte sich, ob dieses Haus noch existiere und wo es stehe. Das Haus gehörte den jüdischen Großeltern seiner Schwägerin Else (88), Elis und Isidor Willner. Möller arbeitet zurzeit an seiner Familiengeschichte und recherchiert dazu vor allem in Essen, wohin die Familie Willner von Grefrath aus noch vor Beginn des Dritten Reichs gezogen ist. Elise starb 1917, Isidor 1928. Vom Naziterror haben die beiden nichts mehr mitbekommen.

Küsters zögerte nicht und wollte helfen. Er wandte sich an Irmgard Tophoven, die sich bereits seit langen Jahren mit jüdischen Familien aus Grefrather beschäftigt und Mitinitiatorin des im Jahr 2004 aufgestellten Gedenksteins ist. "In der Schule habe ich das Thema mit den Schülern behandelt und kümmere mich auch im Ruhestand intensiv darum", sagt die ehemalige Geschichtslehrerin.

Sie sagte spontan ihre Hilfe zu und wusste auch, wo ungefähr das Haus stehen musste: "Ich kann ziemlich genau sagen, wo in Grefrather Juden gelebt haben. Im vorliegenden Fall muss es die Hohe Straße sein." Nicht, wie einige vermuteten, die Hochstraße in Oedt: "Das kann ja nicht, Oedt war doch damals noch eine selbstständige Gemeinde, und im Zusammenhang mit dem Foto war ausschließlich von Grefrath die Rede."

Dann ging die Suche los. Möller meldete sich erneut bei Küsters: Er werde kurzfristig nach Grefrath kommen. Man holte ihn und seine Frau Marianne am Kempener Bahnhof ab, dann ging's los. Tophoven und Küsters begaben sich mit dem schwedischen Journalisten auf die Spuren der einst in Grefrath sehr angesehenen Familie Willner. J. Willner, Bruder von Isidor, hatte ein Haus an der Bahnstraße. Das Haus von Sally und Fanny Willner, der Schwester Isidors, stand an der Rosenstraße. Aber wo genau stand das Haus Isidor Willners? Die Suche konzentrierte sich auf die Hohe Straße. Man verglich jedes Gebäude mit dem auf dem Foto - und blieb erfolglos. Nirgendwo eine Ähnlichkeit! Und da kam der Zufall ins Spiel. Manfred Birk, der sich bestens in der Grefrather Geschichte auskennt und über ein umfangreiches Fotoarchiv verfügt, war nämlich auch gerade auf der Hohen Straße unterwegs. Die Sucher baten ihn um Hilfe und zeigten ihm das Foto. Birk konnte helfen: "Das ist ein Teil der heutigen 'Pizzeria Sicilia', Hausnummer 28. Die Fassade hat sich in den letzten 100 Jahren gewaltig verändert, unter anderem durch Brand."

Der Besitzer Frank Maranto erwies sich sehr freundlich, lud das schwedische Ehepaar in sein Haus, holte Akten zu den damaligen Eigentumsverhältnissen und Veränderungen in Haus und Hinterhof. In einem Teil der Pizzeria war einst die Metzgerei Peters untergebracht. Daran erinnert sich Rolf Tophoven noch sehr gut: "Da haben meine Eltern immer Fleisch gekauft." Vage wusste Maranto von einem jüdischen Vorbesitzer.

Isidor Willner war in diesem Haus als Viehhändler tätig, bis die Familie nach Essen zog. Else, die Schwägerin von Leif Möller, ist seine Enkelin. Ihre Mutter Hedwig, geborene Willner, und ihr Vater wurden im Holocaust ermordet. Else wurde von ihrer nach Schweden ausgewanderten Tante Sabine, geborene Möller, gerettet und gelangte mit einem Kindertransport ebenfalls nach Schweden.

"Reich beschenkt", wie das Ehepaar Möller sagte, und ausgesprochen glücklich über die hilfsbereiten Grefrather, die ihnen bei der Suche nach jüdischen Spuren ihrer Familie geholfen hatten, fuhren sie über Essen wieder in ihre schwedische Heimat zurück.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort