Stadt Kempen Stefan Waghubinger und seine Steuererklärung

Stadt Kempen · Der Kabarettist trat im St. Huberter Forum auf und bereitete seinem Publikum einen schönen Abend.

Steuererklärung, das ist ein Thema, das bei den meisten so ungefähr nach dem Termin beim Zahnarzt kommt. Darüber ein Kabarettprogramm machen? Der Österreicher Stefan Waghubinger schaffte das am Montag und Dienstagabend im St. Huberter Forum ganz genial. Das Ganze war eine faszinierende, packende und oft überraschende Mischung aus Alltagsgeschichten sowie philosophischem Tiefgang. Letzteres konnte man vor allem in der zweite Hälfte nach der Pause erleben. Da war es ein bisschen so, als ob sich der Kabarettist so richtig warmgelaufen hätte.

"Außergewöhnliche Belastungen" heißt sein Programm. Klar, den Begriff kennt man aus der Steuererklärung. Aber bei ihm schweifen die Gedanken dann immer ab. Zwar nimmt er den Kasten mit den Belegen in die Hand, aber das weckt auch Erinnerungen bei ihm. Über einen Beleg für teure Markenwäsche mag er eigentlich gar nicht weiter nachdenken, denn er hat sie nicht bekommen. Ganz nebenbei erfährt man, dass seine langjährige Ehe gerade gescheitert ist. Da sind halt nur Quittungen geblieben, selbst den Hund hat seine Frau mitgenommen. Aber wenn er gerade mal wieder sein Auto sucht oder irgendetwas anderes, weiß sie treffsicher Bescheid. Eine gute Hilfe für einen Mann, der eigentlich behauptet, alleine zurecht zu kommen.

Sehr witzig waren auch die Erinnerungen des kleinen Stefan an seine Kindheit. Er wollte doch so gerne sein wie seine Schulkameraden, vor allem wie der Boltinger. Der hatte ein richtiges Star-Trek-Outfit. "Aber dafür fehlte bei Waghubingers das Geld. " Also erhielt der Junge zu Weihnachten eine von der Mutter selbst gestrickte Jacke, wie sie Captain Kirk trug. Nur dass die Zukunft damals noch in Schwarz-Weiß aus dem Röhrenfernseher kam - entsprechend war auch die Jacke Schwarz-Weiß. Nicht nur voll peinlich, das Teil kratzte auch noch und war am Hals viel zu eng. Der kleine Stefan kam sich also vor wie die Biene Maja. Der Boltinger hat übrigens Karriere gemacht - er ist jetzt Steuerprüfer, und es ist natürlich unvermeidlich, dass er die Steuer seines Schulkameraden prüft. Man konnte förmlich sehen, wie die meisten Besucher ähnliche Erinnerungen vor Augen hatten. Dagegen wird es ganz liebevoll, wenn er immer wieder Geschichten von seiner Oma einstreut. Humorvoll macht er das, aber mit großem Respekt vor ihrer Generation. Seine Steuererklärung lässt den Kabarettisten halt immer wieder auf ganz andere Gedanken kommen. So gibt es auf einmal einen Ausflug zur Freiheit Amerikas. Es wäre ja eigentlich nur ein Versehen gewesen, dass der Kontinent von Columbus entdeckt wurde. Aber dann würzt Waghubinger das mit gekonnten Sticheleien. In diesem Teil wurde sein Programm immer hintergründiger. Zum Burkaverbot fällt ihm ein, dass man dann ja auch wohl Sofabezüge verbieten müssen. Obwohl die ja nur verhindern würden, dass der Wohlstandspo das Sofa beschädige. Da braucht man schon eine oder zwei Minuten, um den Spiegel, den der Künstler dem Publikum vorhält, zu begreifen. Seine Steuererklärung hat der Kabarettist nicht fertig gemacht, aber seinem Publikum einen schönen Abend bereitet und vielleicht Anstöße zum Nachdenken gegeben.

(sr)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort