Stadt Kempen Über die Liebe in all ihren Facetten

Stadt Kempen · Die Lyrikerin Ulrike Göttlich gastierte im Rokoko-Saal. Unterstützung bekam sie von einer Gitarre und einer Marionette. Da ging es um dem Menschen im Zeitalter des Internets und um Bücherregale, aber vor allem um die Liebe.

 Bei ihrem Auftritt im Rokoko-Saal (v.l.): Ulrike Göttlich, Frank Preuss und Martin Menne.

Bei ihrem Auftritt im Rokoko-Saal (v.l.): Ulrike Göttlich, Frank Preuss und Martin Menne.

Foto: wolfgang kaiser

Sie wolle einen Gegenpol zur Ausstellung "Beobachtet" von Form'Art 93 bilden, sagte Ulrike Göttlich zu Beginn ihrer Lesung. Die Lyrikerin, die schon von Beginn an mit zur Künstlergruppe gehört, hatte ihr Programm also "Blickdicht" genannt. Aber so wie man Ulrike Göttlich kennt, ließ sie auch dieses Mal tiefe Einblicke zu.

"Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist gut" rügte sie gleich zu Beginn die Durchschaubarkeit des Menschen in Zeiten des Internets. Immer ist man beobachtet und eingeordnet, selbst wenn man es gar nicht merkt. "Blickdicht, wann sind wir das noch?" fragt sie in einem Gedicht. Und wird dabei wundervoll von der blauköpfigen Figur von Martin Menne bedrängt und umgarnt. Es war eine tolle Idee, zu den Texten teilweise mit den Handpuppen und Marionetten Mennes zu spielen. Ebenfalls hervorragend war die immer wieder zwar zurückhaltende, aber stets die Worte aufnehmende Gitarrenbegleitung von Frank Preuss.

Da tropft in Göttlichs Text die Zeit und die Gitarre tut es dem nach. Sofort entstehen Bilder im Kopf, genau das, was die Lyrikerin möchte. So beschreibt sie das Bild der übervollen Bücherregale. Alles ist wohl geordnet nach Genres. Ganz am Ende steht eine kleines Ansammlung Gedichtbände. Diese soll an diesem Morgen das eine oder andere Bild entstehen lassen, Anregung geben. Freude von innen wünscht sie den Besuchern, Bilder, aber keine virtuellen. Und als passend dazu ein nicht abgeschaltetes Handy klingelt, kann sie spontan kontern, das Gedicht mit dem Handy käme erst später. Und Menne setzt noch drauf, sie hätten vergessen zu sagen, dass die Besucher ihr Handy nach der Lesung noch eine zeitlang ausgeschaltet lassen sollten.

Die Liebe ist ein großes Thema bei Göttlich, in all ihren Facetten: wunderbar himmelhochjauchzend verliebt, traurig und verzweifelt in schlechten Zeiten. Sie neigt sich vor der Vernetzung in der Liebe mit einem anderen. Aber sie nimmt auch mit viel Schalk den Mann im Mond für eine Nacht mit ins Bett und wünscht den Herren eine Nacht mit Frau Luna.

Immer wieder eindrucksvoll, und dieses Gedicht fehlt wohl bei kaum einer ihrer Vorträge, das "Rendezvous mit mir selbst". Fast verzweifelt kommt der Aufruf an den Spiegel der Zeit, sich doch endlich blank zu putzen.

Dazu passt ein ganz stiller Text von einem, der den Schlächter von Lyon, Klaus Barbie, überlebte, weil er dem Schlächter in die Augen blickte. Da schmiegt sich am Ende des Textes die kleine Marionette von Menne in einer großen Hand, zärtlich zugedeckt. Es passte hervorragend, dass das Trio zum Schluss das Menschenrecht auf Glück zitierte. Ein wundervolle Abschluss einer schönen Stunde.

(sr)
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