Serie 175 Jahre Sparkasse (5) Wie Banken heute überwacht werden

Kempen · Nach der Weltbankenkrise sind Regeln für Banken erlassen worden - Sparkassen-Chefin Ross kritisiert: "Wir drohen Kollateralschaden zu werden. Die europäischen Regulatoren machen Regeln, die an unserer Realität vorbeigehen."

"Wir wissen, wem wir Geld leihen": Birgit Roos ist die Vorstandvorsitzende der Sparkasse Krefeld-Viersen. Sie ist damit Chefin über gut 1700 Mitarbeiter. Roos ist Jahrgang 1958; sie ist mit vier Geschwistern aufgewachsen.

"Wir wissen, wem wir Geld leihen": Birgit Roos ist die Vorstandvorsitzende der Sparkasse Krefeld-Viersen. Sie ist damit Chefin über gut 1700 Mitarbeiter. Roos ist Jahrgang 1958; sie ist mit vier Geschwistern aufgewachsen.

Foto: Thomas Lammertz

Hat es eigentlich Sinn, dass wir ein Gespräch beginnen? Oder ist das System der Banken und der Kontrolle von Banken mittlerweile so kompliziert geworden, dass man es als Nicht-Fachmann kaum noch versteht?

Roos (lacht) Eigentlich nicht, eher ist das Gegenteil richtig. Nach der Lehman-Pleite und der Weltbankenkrise haben sich zwei entscheidende Dinge herumgesprochen. Zum einen: Hohe Zinsen bedeuten hohes Risiko. Zum anderen: Krediten sollten in der Realität Werte gegenüberstehen, also Unternehmen, die ihr Geschäft verstehen und Geld verdienen, oder Immobilien, deren Wert realistisch eingeschätzt wird. Insofern hatte diese Krise auf breiter Front einen Realitätsschock mit sich gebracht.

Was unterscheidet die Sparkasse von Lehman? Beides sind Banken, die Bankgeschäfte machen.

Roos Eben unsere regionale Verwurzelung. Wir wissen, wem wir Geld leihen, wir kennen die Unternehmen, die Immobilien, die Häuser. Die Risiken unseres Geschäfts sind dadurch viel besser kalkulierbar und in der Regel mit realen Werten als Sicherheiten unterlegt. Ironischerweise haben wir heute das Problem, dass uns die Regeln, die man auf internationaler Ebene schafft, um Exzesse zu verhindern, Probleme bereiten.

Sie meinen Basel III und im Kern den Zwang, Kredite mit mehr Eigenkapital abzusichern.

Roos Ja, das führt dazu, dass das traditionelle Kreditgeschäft stärker belastet ist als etwa Handelsgeschäfte. Unser Kerngeschäft sind aber eben Kredite für Unternehmer oder Privatleute hier in der Region. Wir haben das Problem, dass die, die diese Regeln machen, unsere deutschen Besonderheiten nicht im Blick haben. Andere Länder haben weder einen starken Mittelstand wie die Deutschen, noch kennen sie die enge Verbundenheit zwischen Mittelständlern und der Sparkasse als regionale Bank. Wir drohen Kollateralschaden zu werden: Die europäischen Regulatoren haben nichts gegen Sparkassen oder Volksbanken, aber machen Regeln, die an unserer Realität vorbeigehen.

Wieso soll der Kredit einer regionalen Bank weniger risikovoll sein?

Roos Wir wissen, wem wir Geld leihen. Und wir bleiben in der Realwirtschaft. Das ist mit den Geschäften internationaler Banken nicht zu vergleichen.

Also muss man denen Deutschland oder besser die Region Krefeld-Viersen erklären, um mal das Geschäftsgebiet der Sparkasse zu benennen.

Roos Im Prinzip ja. Aber das ist mühsam. London ist ein großer zentraler Finanzplatz. Wer den gewohnt ist, kann sich nur schwer in deutsche Regional-Verhältnisse hineindenken. Das ist fatal für uns, weil das eben unsere Stärke ist und die Robustheit der deutschen Wirtschaft mit ausmacht.

Hätte man die Lehman-Pleite mit den neuen Eigenkapital-Regeln verhindern können?

Roos Eigenkapital war nicht das Kernproblem. Verursacht hat die Krise die unverantwortliche Kreditvergabe an Immobilienfinanzierer mit niedrigem Einkommen, die am Ende Zins und Tilgung nicht mehr leisten konnten (Subprime). Diese Kredite hat Lehmann in komplexe Produkte verpackt und an Anleger gegen hohe Provisionen weiter verkauft. Als am Ende klar war, dass die Immobilienfinanzierer nicht mehr zahlen konnten, ist das "Schneeballsystem" zusammengebrochen.

Macht Ihnen die Niedrigzinspolitik der EZB zu schaffen?

Roos Aber ja - uns wie allen Banken, denn wir leben von Zinsen. Das Ironische ist ja auch, dass die EZB diese niedrigen Zinsen mit ihrer Politik provoziert und uns dann kritisch fragt, ob unser Geschäftsmodell eigentlich noch funktioniert.

Das billige Geld soll die Wirtschaft ankurbeln; man kann aber auch lesen, dass Ökonomen vor falschen Anreizen warnen - indem etwa Geschäftsideen finanziert werden, die sich nur dank billiger Kredite über Wasser halten.

Roos Das ist auch richtig, und Ähnliches gilt auch für private Baufinanzierungen. Es ist gut, dass sich zurzeit viele Menschen ein Haus leisten können. Es bleibt dabei sehr wichtig, dass die Leute die Zeit jetzt nutzen und hoch tilgen.

Sie haben im Februar einen Vortrag über die Zukunft der Sparkassen und der Landesbanken gehalten. Haben Sie da auch Hoffnungsvolles sagen können?

Roos Natürlich. Ich bin von der Nachhaltigkeit unseres Geschäftsmodells überzeugt. Wir können uns noch etwas effizienter aufstellen; wir werden die Regulatoren von den deutschen Besonderheiten überzeugen. Außerdem ist Basel IV auf dem Weg, und Basel IV ist bereits damit beschäftigt, die "Überregulatorik" wieder abzubauen. Und wir sind gut aufgestellt, diese Phase zu überstehen.

JENS VOSS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort