Kevelaer Auf der Suche in Afrika

Kevelaer · Alexander Beck, Andreas Kroschewski und Florian Schopperth haben eine Charity-Rallye mitgemacht: per Jeep nach Westafrika. Sie fanden die Faszination der Sahara - aber auch bittere Armut und Zerstörung der Natur.

Sie haben Armut gesehen, die man sich in der Ersten Welt kaum vorstellen kann. Behördenwillkür und Korruption. Stunden standen sie an Grenzübergängen. Neben ihnen Lkw, auf denen seit Tagen die Waren vergammelten, weil die Weiterfahrt vom Schmiergeld an den Grenzbeamten abhing. Und dann, wie zum Lohn für all das: die vollkommen einsame Weite der Sahara, die unfassbare Schönheit des Sternenhimmels über der Wüste.

Alexander Beck (36), Andreas Kroschewski (35) und Florian Schopperth (35) aus Geldern haben die Charity-Rallye "Dresden-Dakar-Banjul" mitgemacht. In vier Wochen ging es über 19 Etappen im Jeep durch Belgien, Frankreich, Spanien, Marokko, Mauretanien und Senegal bis nach Gambia. Meist allein, streckenweise im Konvoi von insgesamt 50 Rallye-Teams. Ein Abenteuer, das unvergessliche Momente bescherte.

"Vom Prunk von Marrakesch bis zum Dreck im Slum eines Fischerdorfs haben wir alles gesehen", erzählt Florian Schopperth. Berührend waren die Kontraste: "Totale Armut, bettelnde Kinder in einem kleinen Dorf. Und ein paar Kilometer weiter glaubt man, man ist im Paradies", beschreibt Andreas Kroschewski.

Abenteuerlich waren so einige Grenzüberquerungen. Zwischen Marokko und Mauretanien holperten die Gelderner mit ihrem Jeep durch vermintes Niemandsland: Keine Straße, links und rechts liegen todbringende Sprengfallen im Grund. Ab und an tun sich "Schlaglöcher" auf, in die man sich bequem hineinstellen könnte. Und die "sichere" Route befindet sich - offensichtlich - etwa da, wo der Vordermann gerade langgefahren ist.

Aber Angst hätten sie auf ihrer Reise niemals gehabt, verneinen die drei Gelderner. Auch nicht, als sie sich in Marokko heillos verirrten. Obwohl sie schon ins Grübeln kamen, als sie einen Polizisten trafen und der, statt ihnen zu helfen, erst einmal ganz offen Bestechungsgeld forderte. Und auch nicht, als sie später an einer Tankstelle nach der anderen vor leeren Zapfsäulen standen und zu überlegen begannen, wie sie wohl weiterkommen würden, wenn es einfach nirgendwo mehr Diesel gäbe.

Die großartigsten Eindrücke lieferte die fünftägige Durchquerung der Sahara. "Das ging von Steinwüste über Sandwüste bis zu dem, was man sich unter Tundra vorstellt", erzählt Schopperth. Geradezu surreal wirkte vieles. Da waren plötzlich riesige Felder von Muschelschalen auf dem Boden. Das Material war wohl durch Stürme hergetragen worden. Und die Einsamkeit ist überwältigend. "Man trifft da niemanden", schildert Kroschewski: "Man fährt und weiß nicht, was hinter der nächsten Düne ist." Oder der Anblick der Küste, dort, wo die Wüste ans Meer stößt - vorne das endlose Blau, hinten Dünen, so weit das Auge reicht. "Das war unwirklich."

Auf ihrer Route erlebten die drei aber auch die Auswirkungen von weltweiter Umweltzerstörung. So fuhren sie an - ansonsten wunderschönen - Stränden ungläubig an unzähligen verwesenden Meerestieren vorbei: "Hunderte Kugelfische, mal eine Schildkröte, mal ein Hai", erzählen sie. Was das war: der angespülte Beifang chinesischer Fabrikschiff-Flotten, der einfach über Bord gekippt wird.

Und Unmengen von Müll bekamen sie zu sehen: "Ganze Landstriche voller Müll", erzählt Florian Schopperth kopfschüttelnd. "Wir haben Leute gesehen, die wohnen auf den Müllhalden. Dazwischen stehen Ziegen und fressen den Müll. Und nächsten Dienstag hängt die Ziege dann auf dem Markt." In den betroffenen Gegenden gebe es keine Müllabfuhr. Abfall wird irgendwo abgeladen. Anderswo werden Massen von Plastikmüll vom Meer angeschwemmt und bleiben sich selbst überlassen.

Absurd war es, auf missglückte Hilfsprojekte aus der "Ersten Welt" zu stoßen. Etwa auf Windräder neben einem Dorf, in dem kein Mensch einen Stromanschluss hat und auch nichts, was Strom verbrauchen würde. "Die Leute brauchen sauberes Wasser, keinen Strom", so Andreas Kroschewski.

Überhaupt, die Armut in den Dörfern und Städten: "Man traut sich kaum, einen Schluck Wasser zu nehmen", beschreibt Schopperth so manchen Augenblick - denn um einen herum sind 100 Menschen, die keines haben.

Nicht weniger irritierend: Durch Mauretanien fuhr der Rallye-Konvoi mit einer Militäreskorte, die Regierung bestand darauf. Allerdings waren die Soldaten gar nicht für die Reise ausgerüstet. "Die haben eine Kalaschnikow mit Patronen und für zwei, drei Tage Wasser und Lebensmittel. Aber sie müssen fünf Tage durch die Wüste." Das Ende vom Lied: Die Rallye-Fahrer fütterten ihre Beschützer mit durch.

Nach rund vier Wochen war das Ziel der großen Fahrt erreicht: Gambias Hauptstadt Banjul. Dort wurden die Touren-Jeeps auf einem Markt öffentlich versteigert. Der Erlös floss an Hilfsprojekte vor Ort. Zurück ging's für die Rallye-Fahrer im Flieger.

Die Gelderner haben ihr Vehikel mit Gewinn verkauft, für 256 000 Dalasi - umgerechnet 4650 Euro. Und das trotz Blessuren: "Nach den ersten Kilometern in der Wüste ist uns der Dachgepäckträger gebrochen", berichtet Kroschewski. Das gute Stück war für 200 Kilogramm Belastung auf europäischen Straßen ausgelegt, nicht auf Offroad-Fahrten durch die Wildnis.

Nachdem die drei Gelderner zurückgekehrt waren, brauchten sie erst einmal Erholung. Sie hatten fantastische Bilder im Kopf. Und manches, was sie eigentlich lieber nicht gesehen hätten. Das relativiere vieles, meint Schopperth: "Ich bin dankbar dafür, wie gut es uns hier geht." Dankbar für sauberes Trinkwasser, medizinische Versorgung und Behörden, die kein Schmiergeld verlangen. "Guckt euch Leute an, die wirklich Probleme haben", appelliert er. "Ich habe viel zum Nachdenken mitgenommen."

(RP)
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