Kevelaer Coole Typen aus Beton fürs Anna-Stift

Kevelaer · Künstlerin Nicole Peters begleitete Jugendliche auf ihrem persönlichen Weg in die Welt der Kunst. Erst ging es ins Museum Kurhaus, dann ins Atelier auf dem Frankenhof. Herausgekommen sind individuelle Skulpturen.

 Viele urige Skulpturen haben die Jugendlichen unter der Anleitung von Nicole Peters geschaffen. Der stämmige Typ im Vordergrund wurde "Herbert" getauft.

Viele urige Skulpturen haben die Jugendlichen unter der Anleitung von Nicole Peters geschaffen. Der stämmige Typ im Vordergrund wurde "Herbert" getauft.

Foto: Gerhard Seybert

Lässig steht der Typ im Beet und lässt sich von den Jugendlichen umarmen. "Herbert" heißt er, weil er einfach einen Namen brauchte. "Herbert war meine Idee", sagt Sven. "Ein kleiner, dicker, junger Mann mit einem Telefon", beschreibt der 17-Jährige die Figur aus Beton. "Mit einem Smartphone", verbessert sich Sven.

"Man sieht den Werken an, dass die mit der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen zu tun haben", sagt Nicole Peters. Die Künstlerin begleitete die rund 20 Jugendlichen von den Außenwohngruppen des Anna-Stifts Goch bei dem Kunstprojekt. Die Ergebnisse stehen als Hausskulpturen in den Hauseingängen der Außenwohngruppe Kleve, Hoffmannallee, Kleve, Römerstraße, in Kevelaer und beim Frankenhof in Bedburg-Hau. "Wir bieten klassische Hilfe zur Erziehung", beschreibt Sabine Voß, Leiterin des Anna-Stifts, die Aufgabe. Die Gründe, aus denen Kinder oder Jugendliche kurzfristig oder längerfristig dort wohnen, sind vielfältig. Unter die Bewohner mischen sich internationale Gesichter. Unter den Jugendlichen sind auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

"Unser Anliegen ist es, Kinder und Jugendliche an die bildende Kunst heranzubringen und auch einen künstlerischen Prozess zu gehen", beschreibt Nicole Peters ihr Anliegen und das des Bundesverbands Bildender Künstler Niederrhein, deren 2. Vorsitzende sie ist. Um so ein Projekt umzusetzen, brauchte es Geld. Das gab es vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Sponsoren waren außerdem die Sparkasse Goch und Stadtwerke Goch. Kooperationspartner war das Museum Kurhaus Kleve. Dort konnten die Jugendlichen einen ersten Eindruck gewinnen, was es an Kunst gibt. In der Museumsbibliothek wurden zusätzliche Anregungen geholt. Die fanden in den Werken der Jugendlichen deutlichen Niederschlag. "Die weibliche Antwort auf Balkenhols ;Eisernen Mann' sieht Künstlerin und Projektleiterin Nicole Peters in dem Werk "Jenny", das am Eingang der Außenwohngruppe in Kevelaer steht. Federführend entwickelt hat die Skulptur eines Mädchens, das auf einem Würfel mit Mosaiken steht, Cindy. Die 17-Jährige hat eine plausible Erklärung für ihr Werk. "Der Würfel soll das Leben sein. Das Leben ist wie ein Spiel", nennt sie ihre Überlegungen. Jenny steht allerdings ziemlich cool auf dem Würfel und behält den Überblick. Benannt hat Cindy die Skulptur nach einer Freundin, die ihr in manchem Vorbild ist. Und eine weibliche Figur sollte es ohnehin sein, "weil es schon so viele männliche gibt", sagt Cindy und lächelt. Bei der Außenwohngruppe Hoffmannallee Kleve werden demnächst ein großer Leguan und eine Meerjungfrau mit einem Delfin die Besucher begrüßen.

Sehr kreativ und vor allem musikliebend erwies sich die Gruppe, die für die Römerstraße künstlerisch tätig wurde. Mohamed präsentiert den terracottafarbenen Betonklotz, der sich für den, der genau hinschaut, als Stier offenbart. Beine, Buckel, Nase, alles ist da. "Fantasie" betont Ibrahim, sei das, was ihm bei der Gestaltung seines rot-blau-gelbe Mosaiktiers durch den Kopf gegangen sei. Das Tier, das erst vier, dann zwei Beine hatte, ist ein Pferd. Gearbeitet wurde immer mit mehreren Leuten an einer Skulptur. Mustafa hat praktisch gedacht und aus dem Beton einen Wagen geformt, für Blumen. "Diese Gruppe war mit elf die größte", erinnert sich Nicole Peters, die beim Arbeiten von Kunststudentin Julia Beier unterstützt wurde. "Das Atelier war voll. Da war sehr viel Kreativität im Raum."

Nun sind die Figuren an ihrem Bestimmungsort angekommen. Wieder lehnen ein paar Jugendliche an Herbert. Herbert ist mit Absicht nicht perfekt. "Quadratisch, praktisch, gut", sagt sein Schöpfer Sven über das etwas gedrungene Erscheinungsbild von Herbert. "Wir wollen damit auch zeigen, dass wir nichts gegen anders aussehende Leute haben. Es gibt ja Menschen, die vom Aussehen nicht so gut ankommen", sagt Sven. "Die aber einen guten Charakter haben", ergänzt Cindy. Gelernt haben die Jugendlichen in den paar Wochen nicht nur Betonmischen für die Skulpturen.

(RP)
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