Kevelaer Der lange Kampf zurück ins Leben

Kevelaer · Am 9. Mai 2015 änderte sich für Kevelaers stellvertretenden Bürgermeister plötzlich alles. Jürgen Aben kam mit Hirnbluten ins Krankenhaus. 13 Monate später lässt er nichts unversucht, um in den Alltag zurück zu finden.

 Jürgen Aben ist zurück in vertrauter Umgebung. Sein heimischer Garten gibt ihm Halt und hilft ihm, positiv nach vorne zu blicken.

Jürgen Aben ist zurück in vertrauter Umgebung. Sein heimischer Garten gibt ihm Halt und hilft ihm, positiv nach vorne zu blicken.

Foto: Thomas Binn

Jürgen Aben war morgens allein zuhause. Alles war wie immer. Der Rasen musste noch gemäht werden, und mittags sollten die Bürgerschützen ihr traditionelles Vogelschießen durchführen. Noch eine Woche bis zur Kevelaerer Kirmes. Bei Familie Aben freute man sich sehr auf das gesellschaftliche Ereignis.

Jürgen Aben hatte plötzlich starke Kopfschmerzen. Er sackte zusammen und wurde ohnmächtig. Als seine Frau Barbara nach Hause kam, hatte er sich schon wieder halbwegs aufgerappelt. "Ich hab' nichts, ich brauche nicht zum Arzt", versicherte er ihr immer wieder. Am Abend wurden die Kopfschmerzen so schlimm, dass er seine Meinung änderte und seine Frau bat, ihn doch ins Krankenhaus zu fahren.

Was dann folgte, stellte das Leben der Familie auf den Kopf. Computertomografie (CT), sofortiger Transport mit dem Rettungswagen nach Duisburg. Noch in der Nacht wurde sein Schädel geöffnet, um die Hirnblutung zu stoppen, und Aben wurde ins künstliche Koma versetzt. Für dreieinhalb Wochen sollte das so bleiben. Er bekam eine Lungenembolie, und die Versuche, ihn aus dem Koma zurück zu holen, scheiterten immer wieder. Der Druck in seinem Kopf wurde zu groß.

Barbara Aben und den beiden Kindern Jan und Leonie wurde nach und nach bewusst, dass Jürgen vielleicht nicht mehr der sein würde, den sie kannten. Die Ärzte sagten, dass man mit mehreren Jahren rechnen müsse, bis Patienten mit einer solchen Diagnose den Weg zurück ins Leben finden. "Sie haben noch Glück gehabt", berichtete ein behandelnder Arzt. "30 Prozent der Patienten sterben, noch bevor sie ins Krankenhaus kommen, und noch mal 30 Prozent bei der OP."

Nach vier Wochen auf der Intensivstation wurde Jürgen Aben in eine Reha-Klinik nach Meerbusch verlegt. Er konnte sich nicht bewegen, nicht sprechen und hat heute keine Erinnerung mehr an diese erste Zeit.

Bei der Einweisung sagte man der Familie, dass man ihm nun erstmal drei Wochen Zeit geben würde. Wenn dann keine Besserung eintrete, müsste die Reha abgebrochen werden. Barbara Aben konnte kaum fassen, was sie da hörte. Auf ihre Nachfrage, was denn dann passieren soll, sagte man ihr: "Na, dann suchen wir ein schönes Pflegeheim für ihren Mann."

Dazu kam es aber nicht. Der Kevelaerer machte Fortschritte. Erst bewegte er den kleinen Finger, dann den Arm. Nach vielen Stunden Logopädie sprach er dann irgendwann sein erstes Wort. "Scheiße!" Barbara Aben lacht heute darüber.

Die Reha war für Jürgen wie auch für seine Familie eine anstrengende Zeit. Er hatte sechs bis sieben Termine pro Tag, und Barbara Aben ist jeden Tag nach Meerbusch gefahren, um ihren Mann zu besuchen. Ganze Bäche von Tränen sind in dieser Zeit geflossen, aber Aufgeben kam nicht Frage. Ein erster Lichtblick tat sich zum Jahresende auf. Über Weihnachten wurde Jürgen für drei Wochen aus der Reha entlassen. Obwohl das Sprach- und Bewegungsvermögen sehr eingegrenzt waren, machte Jürgen Aben seiner Frau klar, dass er über die Festtage mit dem Wohnmobil in den traditionellen Winterurlaub ins Salzburger Land nach Österreich fahren möchte. "Papa wollte das unbedingt", erzählt Tochter Leonie im Gespräch. "Er hat immer alles geschafft, was er wollte."

Ende Januar wurde er aus der stationären Reha entlassen und seitdem trainiert er täglich. Drei mal Ergo-, drei mal Logo- und drei mal Physiotherapie in der Woche helfen ihm, seine Fähigkeiten nach und nach wieder aufzubauen. Das Sprechen fällt immer noch schwer, und seine Frau ist in vielen Belangen sein Sprachrohr, aber es geht bergauf.

"Ohne die Unterstützung von Freunden und Familie hätten wir das nicht geschafft", erinnert sich Barbara Aben. Die diesjährige Kirmes war dann für beide ein sehr emotionales Ereignis. An Christi Himmelfahrt, gut ein Jahr, nachdem die Hirnblutung einsetzte, führte sie ihren Mann zum ersten Mal wieder zum Tanz. "Rückblickend kann man sagen, dass es uns als Familie unglaublich zusammen geschweißt hat." Die Kirmestage werden in Zukunft wohl immer so etwas wie ein zweiter Geburtstag für Jürgen Aben sein.

(RP)
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