Kevelaer Die "Dorfbäcker" von Achterhoek

Kevelaer · Einmal im Monat wird das Feuer in einem der zwei Backhäuser in dem kleinen Ort geschürt. Wer will, kommt mit seinem Teig vorbei oder freut sich über Kostproben der anderen Bäcker.

 Peter Übersohn, Rainer Verhülsdonk und Bernd Richter vor dem großen Ofen, in dem einmal im Monat gebacken wird.

Peter Übersohn, Rainer Verhülsdonk und Bernd Richter vor dem großen Ofen, in dem einmal im Monat gebacken wird.

Foto: Seybert Gerhard

Langsam ziehen die weißen Schwaden in den Achterhoeker Himmel. Der färbt sich am späten Nachmittag langsam schon rot. Für Bernd Richter ist es Zeit, seine Handschuhe anzuziehen und sein Werk zu vollenden. Geschickt zieht er eine silberfarbene Form nach der nächsten aus dem Ofen, umringt vom gespannten Publikum.

 Mit dem Messer frisch geschnitten: Für die Achterhoeker geht nichts über ihr selbst gebackenes Brot

Mit dem Messer frisch geschnitten: Für die Achterhoeker geht nichts über ihr selbst gebackenes Brot

Foto: Gerhard Seybert

Es ist Backtag im Achterhoek. Eine kleine Runde hat sich eingefunden und schart sich um den von Richter selbst gebauten Ofen. "Die Brotbackleidenschaft kam mit dem Backhaus", sagt der 57-Jährige und steht im Garten vor dem gemauerten Werk mit der großen Backluke und dem kleinen Schornstein. Von irgendwoher zaubert er ein Buch von Lutz Geißler und Björn Hollensteiner hervor. Darin wird auf vielen Fotos detailreich erklärt, was ein Teig für naturbelassenes Brot so alles braucht, um sich wohlzufühlen. An diesem Nachmittag muss Richter aber kein einziges Mal einen Blick hineinwerfen. Die Handgriffe sitzen. Aus Roggenschrot, Sonnenblumenkernen, Leinsamen und Kürbiskernen entsteht ein zünftiges Körnerbrot mit Sauerteig. Für Süße und Farbe sorgt ein ordentlicher Schuss Rübenkraut.

"Lecker", lautet das einstimmige Urteil in der Runde derer, die das Brot schon kennen. Liebevoll wird es auch als "Achterhoeker Vogelfutter" betitelt.

Während Bernd Richter die verschiedenen Komponenten aus Hauptteig, Sauerteig, einem Quell- und einem Kochstück zusammenführt, werden die zehn Metallformen mit Margarine eingepinselt. "Wie heiß wird denn der Backhausofen?", möchte eine Dame von Richter wissen. "Das ist relativ. Die Frage ist eher, wie heiß möchte ich den haben?", lautet seine Antwort. Ein Blick in den Ofen lässt ihn zufrieden nicken. Um das aufgeschichtete Holz ranken sich rot-gelbe Flammen. Darunter hat sich weiße Asche gebildet. Das Thermostat an der Ofentür zeigt 200 Grad. "Schätzeisen", nennen es die Brotbackexperten. Denn es gibt nur die Temperatur an der Tür wieder. "An der Decke ist die Temperatur viel höher", erklärt Rainer Verhülsdonk, der ebenfalls ein Backhaus bei sich zu Hause hat.

Einmal im Monat, immer am dritten Samstag, lädt der Verein Natur und Kultur im Achterhoek zum gemeinsamen Backen ein, immer im Wechsel bei ihm und Bernd Richter. Um nun die wirkliche Temperatur zu erfahren, greifen die Männer zum Infrarotmessgerät. "300 irgendwas", sagt Bernd Richter. "Schön muckelig" und macht die Tür erst einmal zu. Denn das ist eindeutig zu heiß. Bei einer Temperatur von 270 Grad kann der Brotteig für das dunkle Sauerteigbrot in den Ofen. Die kalten Metallformen ziehen auch noch Hitze, so dass bei einer Temperatur von 250 Grad gebacken wird. Vorher wird der Ofen ausgekehrt, Feuer und Asche verschwinden und der Kamin wird geschlossen. Vor dem Brot wird noch Pizza, selbstgemachte versteht sich, in den Ofen geschoben und gemeinschaftlich verspeist.

Beim Backtag geht es um mehr als Backen. Das gemeinsame Warten wird zelebriert. Es ist Zeit zum Plausch. Die Frauen in der Runde philosophieren über Hefezöpfe und Striezel. Die hellen Teige kommen allerdings erst zum Schluss in den Ofen, wenn die Temperatur gesunken ist. In den Gesprächen geht es auch um Inhaltsstoffe. "Man weiß, was drin ist", lautet die einhellige Meinung der Selbst-Brotbacker. "Wir kaufen eigentlich kein Brot mehr. Wenn es draußen im Backofen war, ich finde, es schmeckt besser", lautet die Überzeugung von Margot Dassel. "Früher hatte jeder Ort ein Backhaus, wo einmal in der Woche Brot gebacken wurde", sinniert Peter Übersohn. "Mehr Backhäuser braucht das Land", fordert Rainer Verhülsdonk.

(RP)
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