Interview: Ocke Hamann Die Maut schadet mehr, als dass sie nutzt

Kevelaer · Der Verkehrs- und Logistikexperte der Niederrheinischen IHK wendet sich gegen die Maut-Pläne der Bundesregierung.

Interview: Ocke Hamann: Die Maut schadet mehr, als dass sie nutzt
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Nach den Plänen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrint (CSU) sollen nun alle Straßen mit einer Infrastrukturabgabe belegt werden. Was halten Sie davon?

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Hamann Das wirkt wie eine Eintrittskarte für Deutschland, die unsere Nachbarn zahlen müssen. Dabei sollten die europäischen Verträge, wie etwa das Schengener Abkommen, den Grenzwiderstand abbauen. Der wird mit der Maut künstlich wieder aufgebaut. Das wird sich nicht nur auf den Umsatz unserer Unternehmen, sondern auch auf das deutsche Image auswirken.

Welche Konsequenzen hat das?

Hamann Man darf eines nicht vergessen: Für viele kleine und mittelständische Unternehmen sind Umsatzeinbußen von zehn bis 15 Prozent existenzgefährdend. Die Maut wird Spontanfahrten der Niederländer verhindern. Das kann sich auch über unsere Region hinaus auswirken.

Andere europäische Länder wie etwa Frankreich oder Österreich erheben eine Maut, um damit ihre Infrastruktur zu finanzieren.

Hamann Das stimmt. Aber eine flächendeckende Nutzungsgebühr für das gesamte Straßennetz gibt es in keinem Nachbarland. In den Niederlanden müssen wir keine Maut bezahlen. Deswegen sollten sie auch bei uns nicht zahlen müssen. Außerdem sind die errechneten Zusatzeinnahmen von 600 Millionen Euro jährlich zu hoch angesetzt.

Warum?

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Hamann Der Bundesverkehrsminister hat von 170 Millionen Fahrten von Ausländern jährlich gesprochen und daraus Maut-Einnahmen von 860 Millionen Euro errechnet. Dassind durchschnittlich etwa fünf Euro pro Fahrt. Die meisten Menschen werden aber pro Fahrt weit weniger als einen Euro einbringen, weil sie eine Jahresvignette kaufen oder mit ihrem 10-Tage-Ticket deutlich mehr als nur eine Hin- und Rückfahrt machen. Da geht die Rechnung des Ministers nicht auf. Die Kosten für den Erhebungsaufwand sollen 260 Millionen Euro betragen. Und die Einnahmen sollen noch unter den Bundesländern aufgeteilt werden.

Sie sagen also, die Maut rechnet sich am Ende nicht.

Hamann Kalkulationen zeigen, dass die Infrastruktur täglich 13 Millionen Euro an Wert verliert. Im Augenblick soll die Pkw-Maut kostenneutral für deutsche Bürger sein. Es ist zu erwarten, dass die Sätze zukünftig auch für Deutsche steigen.

Welchen Vorschlag haben Sie, um die Infrastrukturkosten zu finanzieren?

Hamann Der Staat nimmt genügend Mittel durch Sprit-, Kfz-Steuer oder die LKW-Maut ein - jährlich über 50 Milliarden Euro. Nur zehn Milliarden werden in die Infrastruktur investiert. Das ist also eine Frage von Prioritäten. Würde man ohne Mehrbelastung für den Autofahrer pro Liter einen Cent der Mineralöl-Steuer zweckgebunden für Reparatur und Ausbau unserer Straßen verwenden, hätte man auf einen Schlag mehr Mittel als aus dieser Maut, und das ohne Kontrollen und ohne Ärger mit den Nachbarn.

DIE FRAGEN STELLTE FRANZISKA HEIN.

(RP)
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