Kevelaer "Dynamic Borders" : Grenzkommunen werben für Praktika

Kevelaer · Euregio-Projekt möchte nicht nur Tourismus und Agrofood beeinflussen, sondern auch die Arbeitsmärkte näher zueinander bringen.

Wer in Holland arbeitet, tut das sehr häufig bei einer Zeitarbeitsfirma. Das sind dann oft nicht gerade die qualifiziertesten, sichersten, bestbezahlten Jobs. Dabei gibt es Gründe genug, auch als arrivierter Arbeitnehmer oder Auszubildender seine Fühler mal ins Nachbarland auszustrecken. Vielleicht fehlen in einem Unternehmen gleich hinter der Grenze genau meine Kompetenzen. Oder es gibt dort bessere Aufstiegschancen. Oder nettere Kollegen - oder, oder, oder. Weil diese Chancen bisher recht wenige junge Leute wahrnehmen, wurde das Projekt "Dynamic Borders" auf den Weg gebracht, das den Grenzraum in den Bereichen Tourismus, Agrofood und Arbeitsmarkt näher zueinander bringen möchte. Berufsschüler, Studenten und Azubis können sich über ein Projektbüro bei einem Unternehmen im Nachbarland bewerben oder - wenn sie sich für die Kommunalverwaltung interessieren - auch ein Praktikum in einem Rathaus machen. Eine entsprechende Verpflichtungserklärung unterschrieben gestern bei der Euregio in Kleve die beteiligten Bürgermeister.

Manon Pelzer, Chefin der Gemeinde Bergen, arbeitet seit Jahren sehr eng mit den deutschen Mittelkreisgemeinden Goch und Weeze zusammen. Auch Karel van Soest (Boxmeer), Wim Hillenaar (Cuijk) und Peter de Koning (Gennep) muss man nicht erklären, wer Ulrich Knickrehm oder Ulrich Francken sind. Mit dem Bürgermeister von Goch beziehungsweise mit Wirtschaftsförderer Rüdiger Wenzel haben sie regelmäßig zu tun, erst recht mit Weezes Bürgermeister (seit Jahrzehnten in leitenden Funktionen bei der Euregio) und Tourismus-Fachmann Khalid Rashid. Aber auf anderen Ebenen oder im Nachwuchsbereich sind sich die Mitarbeiter nach wie vor recht fremd.

In Zukunft wird es interessierten Auszubildenden möglich sein, ein grenzüberschreiendes Praktikum bei einer der Partnerkommunen zu absolvieren. "Eine einmalige Chance, die Sprache, Arbeits- und Verwaltungskultur auf der anderen Seite der Grenze kennenzulernen", heißt es. "Sie sehen die Arbeit dann nicht nur aus einem anderen Blickwinkel, sondern vergrößern auch ihre beruflichen Chancen", sagt Manon Pelzer. Insbesondere, wenn sie bereit sind, auch die Sprache der Nachbarn zu lernen. "Das hat in den vergangenen Jahren in den Niederlanden leider abgenommen", bedauert Ulrich Francken und erklärt, die Bürgermeister seien in Gesprächen mit Bildungseinrichtungen, um Deutsch als zweite Fremdsprache wieder in den Fokus zu rücken. Wobei Pelzer darauf hinweist, dass gutes Englisch, das beide Seiten sprechen sollten, ebenfalls eine gute Grundlage sei.

Aus Interreg-Mitteln fließen in das dreigeteilte Projekt knapp 727.000 Euro, von denen die beteiligten Kommunen insgesamt rund 206.000 Euro aufbringen müssen. Das Geld wird für studentische Jobs im "Stage-Büro" benötigt, für externe Aufträge wie Übersetzungen, Werbung, Reisekosten - aber nicht für die Praktikanten an sich, die ja schon offiziell an das Rathaus "gegenüber" gebunden sind.

Ausbildung funktioniert in den Niederlanden ganz anders als hierzulande. Das vielgerühmte duale System in Deutschland kennen die Niederlande so nicht; dort schließt sich an eine kurze theoretische Ausbildung an einer Berufsschule ein längeres Trainee im Betrieb an. Junge Leute aus Deutschland, die sich für ein Praktikum in einem Unternehmen oder dem Rathaus einer der beteiligten niederländischen Kommunen interessieren, können sich in den Städten und Gemeinden erkundigen. Ulrich Francken freut sich schon auf den niederländischen Praktikanten, der sich hoffentlich für Weeze interessieren wird, und wirbt nicht zuletzt mit dem Flughafen als Arbeitsfeld für die Abteilung Ordnung. Sicherheit, Emissionen, Veranstaltungen - da gibt es viele Berührungspunkte.

(RP)
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