Kevelaer Ein Kreuz aus dem Boot der Flüchtlinge

Kevelaer · Francesco Tuccio lebt auf Lampedusa und fertigt die ganz besonderen Kruzifixe. Eines davon ist jetzt auch nach Kevelaer gekommen und soll ein Symbol für Barmherzigkeit und Liebe sein.

Lampedusa - die kleine Insel im Mittelmeer, rund 200 Kilometer südlich von Sizilien - ist längst zum Sinnbild der Flüchtlingskatastrophe geworden. Zehntausende Menschen sind in den vergangenen Jahren dort gelandet. Schätzungsweise 25.000 Flüchtlinge sind seit 2000 im Mittelmeer ertrunken, als sie versuchten, Europa zu erreichen. Ein Lampedusa-Kreuz, geschreinert aus dem Holz von Flüchtlingsbooten, soll nun in Kevelaer zu einem besonderen Symbol werden.

Die "Stiftung Aktion pro Humanität" nahm Kontakt zum Schreiner Francesco Tuccio auf, der auf Lampedusa lebt und aus dem Holz der Flüchtlingsboote Kreuze herstellt. Nun ist das Kreuz in der Marienstadt angekommen und wird hier zu unterschiedlichen Anlässen seine Geschichte erzählen. Tuccio ist auf Lampedusa aufgewachsen. Er lebt dort mit seiner Familie und seinen vier Kindern, engagiert sich in der Pfarrgemeinde, betreibt seit 1995 eine Schreinerwerkstatt - und ist einer von vielen Ehrenamtlichen, die sich um die gestrandeten Flüchtlinge kümmern. Er verteilt Trinkwasser, Kekse und trockene Decken, spricht Worte des Trostes und umarmt. "Es ist so traurig. Die Menschen kommen zerstört hier an und haben unbeschreibliches Leid hinter sich." Die "erloschenen müden Augen, in denen gleichzeitig noch ein Hoffnungsschimmer liegt" motivierten ihn dann irgendwann, Kreuze aus dem Holz der Flüchtlingsboote herzustellen. Das Kreuz als Hoffnung auf ein neues Leben.

Kevelaer hat nun auch ein Lampedusa-Kreuz aus der Werkstatt von Tuccio. Dr. Elke Kleuren-Schryvers, Stiftungsvorsitzende der Aktion "pro Humanität", hatte Kontakt zum Lampedusa-Schreiner aufgenommen - die unruhige See sorgte dafür, dass es mit einiger Verzögerung erst jetzt am Niederrhein eintraf. Beim Anfassen des Kreuzes nehme man zuerst noch den modrigen Geruch von Feuchtigkeit im Holz wahr. Dann frage man sich, wo dieser Längs- und Querbalken des Kreuzes saß, wer sich möglicherweise daran festhielt, wer darauf saß oder kauerte. "Ob das Boot, von dem dieses Holz stammt, die Menschen lebend in Lampedusa absetzen konnte? So viele Gedanken beim Anschauen, Anfassen zweier einfacher Holzstücke", beschreibt die Medizinerin ihre Eindrücke.

Tuccio freut sich über die Solidarität der Christen in Deutschland: "Je stärker und je mehr wir im Gebet sind, desto mehr können wir erreichen." Domkapitular Rolf Lohmann, Rektor der Wallfahrt, ergänzt: "Als Christen, als Kirche in unserer heutigen Zeit, dürfen wir nicht mit dem Rücken zur Welt leben. Wir brauchen die Globalisierung der Menschlichkeit - auch so könnte eine Botschaft dieses einfachen und doch so eindrucksvollen Holzkreuzes lauten. Es ist ein Appell an Liebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Frieden." So wird das Kevelaerer Croce di Lampedusa bei allen Friedensgebeten auf dem Kapellenplatz und in der Gnadenkapelle an den Montagabenden der Fastenzeit mitgeführt werden.

Es wird bei einigen Gottesdiensten in der Kar- und Osterzeit in der Kirchengemeinde St. Marien eine besondere Rolle spielen und während der Wallfahrtszeit vom 1. Mai bis 1. November 2016 in einer gläsernen Litfass-Säule im Brunneninnenhof der Basilika ein Zeichen setzen. "Dieses Kreuz wird in Kevelaer, am Ort der Trösterin der Betrübten, im Jahr der Barmherzigkeit ein beständiges Symbol, ein Mahnmal für die Notwendigkeit eines Perpektiv-Wechsels sein", so Dr. Elke Kleuren-Schryvers.

Aschermittwoch wird das Kreuz von Pastor Lohmann gesegnet und seinen Platz zunächst - je nach Anlass - in der Basilika oder Beichtkapelle finden. Zu Beginn der Wallfahrtszeit soll es dann seinen Standort im Brunnen-Innenhof der Basilika finden.

(RP)
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