Kevelaer Eine Herde Schafe reicht zum Überleben

Kevelaer · Heribert Hölz ist der Mann für die Bosnienhilfe. Auch nach 25 Jahren ist das Thema aktuell. Hilfe zur Selbsthilfe statt Menschen zu Wirtschaftsflüchtlingen werden lassen, lautet seine Philosophie.

Heribert Hölz wirkt entschlossen. "Ich weiß, wir haben heute ganz andere Probleme", sagt der Mann, der sich seit fast 25 Jahren für die Bosnienhilfe einsetzt. Er meint die Flüchtlinge, und dass mancher nicht versteht, warum er seine Kraft immer noch für die Bosnienhilfe einsetzt.

"Die Probleme hängen eng zusammen", sagt der Niederrheiner. "Es gibt Leute, die sitzen auf gepackten Koffern", berichtet er von seinen recht frischen Eindrücken aus Bosnien. "Das sind Menschen, die sich das fürs Leben Notwendige nicht leisten können." Der Krieg in Bosnien ist zwar schon 20 Jahre her, "Ich habe einen Blick in die Hölle geworfen", sagt Hölz dazu, allerdings laufe in dem Land noch einiges falsch. "Wenn ich sehe, wie ich lebe und wie die Leute dort leben, gemessen an dem lebe ich wie die Made im Speck." Die Menschen dort klammern sich an jeden Strohhalm. Einer davon heißt Flucht nach Deutschland. Diesen Menschen möchte er zurufen: "Bleibt in eurem Land."

Die Bosnier haben keine Möglichkeit, als Flüchtling anerkannt zu werden. Aber selbst die Aussicht, in drei Monaten wieder in die Heimat zurückgeschickt zu werden, ist für viele angenehmer, als in ihrem Land zu bleiben. "Bosnien ist gebirgig, ist kein Agrarland, kein Industrieland und hat keine Bodenschätze", nennt Hölz die nicht gerade allerbesten Voraussetzungen. Er ist Pragmatiker. "Man muss den Leuten auch etwas bieten, wenn man ihnen sagt: "Bleibt da." Hilfe zur Selbsthilfe ist das, was er nach Bosnien bringt. Viele Ideen hat er in der Vergangenheit schon umgesetzt. "Obstplantage, Patenschaften, kleine Genossenschaften, Unterstützung von Schulen", zählt er auf. Eine, wenn auch bescheidene, Hilfe zur Selbsthilfe sei eine Schafherde. Jungen Familien bietet er eine Herde an. "Ich kaufe bei einem Züchter in Bosnien fünf Muttertiere und einen Bock", beschreibt er sein Vorgehen.

Die Übergabe an die Familien sei immer eine hoch emotionale Sache. "Sie müssen sich vorstellen, da kommt für die Leute ein fremder Mann und bringt ihnen das, was sie zum Leben brauchen." Schafe bedeuten Milch, Butter, Käse und natürlich Wolle. "Die Winter in Bosnien sind kräftig, kälter als bei uns", sagt Hölz. Was vielleicht noch mehr wiegt, ist das Signal, das dahintersteckt: die Menschen sind nicht vergessen. "Vergessen zu sein, ist die eigentliche Katastrophe." Oder anders gesagt: "Kein Gehör zu finden." Bei Hölz haben sie das auch nach 25 Jahren noch.

Aber Hölz und die Bosnienhilfe wären nichts ohne die vielen Unterstützer. Früher sammelte Hölz Lebensmittel. "Aber die Ärzte haben mir strikt untersagt, Lkws zu beladen", sagt der 73-Jährige. Deswegen wirbt er in Schulen und Kindergärten um Geld für Schafe.

Das mit dem Geld sei abstrakter als eine Tüte Reis, deswegen singt er mit den Kindern Schaflieder und erzählt anschaulich, was er auf seinen Reisen durch Bosnien erlebt. Er bewundert die Kreativität der Schulen und Kindergärten, die dafür sorgen, dass Geld zusammenkommt. 250 Euro waren das zuletzt in dem Kindergarten in Twisteden. Die St.-Georgs-Pfadfinder sammelten am 28. November vor fünf Supermärkten in Geldern. 1050 Euro sind im vergangenen Jahr zusammengekommen. "Das war eine kleine Schafherde", sagt Hölz begeistert.

Möglich sind auch Patenschaften, um Familien jeden Monat, ein Jahr lang, finanziell zu unterstützen. "Mit 25 Euro können 50 Brote gekauft werden", rechnet Hölz vor. "Das reicht zwar nicht aus zum Leben, ist aber als Hilfe nicht zu unterschätzen."

Auch mit 73 Jahren möchte er die Arbeit der Bosnienhilfe fortführen. Was ihn antreibt, ist seine eigene Biografie. "Ich bin 1942 geboren, ein Kriegskind, ohne Vater aufgewachsen." Er habe es selbst erlebt, was es bedeutet, unter schwierigen Bedingungen aufzuwachsen. Aufhören zu helfen, das könne er nicht. "Klar, wenn ich nicht mehr bin, fällt Bosnien nicht zusammen, aber die Menschen in unserem Blickfeld sind um eine Hoffnung ärmer", sagt Hölz nachdenklich.

Wer Heribert Hölz bei seiner Arbeit für die Bosnienhilfe unterstützen möchte, erreicht ihn telefonisch unter 02845 5686. Am Donnerstag, 10. Dezember, um 19.30 Uhr findet übrigens in der Kirche des Klarissenklosters Kevelaer ein Benefizkonzert zugunsten der Bosnienhilfe statt. Organisiert wurde es von den Frauen der kfd.

(RP)
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