Kevelaer "G 8" - wie Schule der Zukunft im Wege steht

Kevelaer · Die 17-jährige Violinistin Lea Brückner aus Wetten hat das Gymnasium kurz vorm Abitur abgebrochen. Trotzdem kann sie Musik studieren. Rückblickend lässt sie am "Turbo-Abi" kein gutes Haar.

 Die Violinistin Lea Brückner, hier bei einem Konzert im April in Kevelaer. Sie wollte das Abitur machen, aber mit "G8" war das für sie unmöglich.

Die Violinistin Lea Brückner, hier bei einem Konzert im April in Kevelaer. Sie wollte das Abitur machen, aber mit "G8" war das für sie unmöglich.

Foto: seybert

Lea Brückner (17) geht zur Uni: "Bachelor of Music" heißt ihr Studiengang. Dafür reichte ihr Fachabitur, es hätte sogar der Abschluss nach der zehnten Klasse gereicht: Ausschlaggebend für die Aufnahme ist nämlich eine theoretische und praktische künstlerische Prüfung. So weit, so gut. Nur: Eigentlich wollte Lea Abitur machen. Und daraus wurde nichts - wegen der verkürzten Zeit bis zum Abitur, sagt sie, kurz: wegen "G 8".

"Ich habe am eigenen Leib erfahren, dass G 8 viel zu stressig ist, von den Schülern zu viel abverlangt", sagt Lea Brückner. Nebenbei andere, wichtige Ziele zu verfolgen, so wie sie mit ihrer Musik, "das hat keine Chance. Wenn man jeden Tag acht bis zehn Stunden in der Schule ist, geht das einfach nicht".

Lea Brückner hat Preise bei "Jugend musiziert" abgeräumt, mit 13 Jahren spielte sie im Landesjugendorchester Erste Geige, und zwar als jüngstes Mitglied überhaupt, sie war in der "Spitzenförderung" an der Folkwang-Musikschule in Essen. Schule und Musik unter einen Hut zu bekommen war nie einfach. Doch im Frühjahr spitzte sich die Lage zu: Die Abiturprüfungen wären im Mai gewesen. Gleichzeitig war die "Künstlerische Eignungsprüfung", die sie bestehen musste, um zum Studium an der Essener Folkwang-Universität der Künste zugelassen zu werden. Dabei ist die Konkurrenz gewaltig: "Darauf muss man sich vorbereiten, sonst geht man unter", sagt Lea Brückner.

Die damals 16-Jährige ging auf das Jan-Joest-Gymnasium in Kalkar. Ein normaler Schultag begann um 8 Uhr, um 17.30 Uhr war sie zu Hause, "und dann hat man noch keine Hausaufgaben gemacht, nicht gelernt und, in meinem Fall, noch kein Instrument gespielt". Oft saß sie nach dem Musikunterricht spät abends noch über den Büchern. "Ich bin absolut ans Limit gegangen, um noch halbwegs gut zu sein in der Schule." Bis zur zwölften Klasse: Drei Monate vor den Abi-Prüfungen brach sie die Schule ab.

Ihre Eltern Veronika und Detlef Brückner haben sie unterstützt. "Wir haben das eigentlich sofort mitgetragen, weil wir ja wissen, dass Musik ihr Leben ist", sagt Mutter Veronika. "Wir waren aber sehr enttäuscht von dem System." "G 8" gewähre keinerlei Freiräume: "Da ist jemand, der aktiv an einer Sache arbeitet, und da wird er durch die Schule gebremst und zu so einer Entscheidung gezwungen."

Lea hätte erst das Abitur machen und dann ein Jahr warten können, aber dazu war sie nicht bereit. Hätte sie das Gymnasium nach dem alten System, "G 9", durchlaufen, hätte sie es bis zum Ende durchgehalten, glaubt sie: "Das Problem war nie der Stoff, das Problem war die Zeit." Da sei mitunter in einen Monat gepresst worden, was früher in einem Halbjahr durchgenommen wurde. Wäre das nicht gewesen, meint Lea, "hätte ich es definitiv geschafft".

(RP)
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