Kevelaer Karneval mit Herz und Verstand

Kevelaer · Für ihr Lebenswerk ist die Twistedenerin Karin Raimondi alias "Attacke" bereits ausgezeichnet worden. Sie hat eine neue CD am Start und schlägt auch sehr nachdenkliche Töne an.

 Karin Raimondi vor der Kerzenkapelle in Kevelaer: Was kaum jemand weiß, die Frau mit den kurzen blonden Haaren und der goldenen Tröte ist ein gläubiger Mensch. Sie ist unter anderem Lektorin in der Kirche.

Karin Raimondi vor der Kerzenkapelle in Kevelaer: Was kaum jemand weiß, die Frau mit den kurzen blonden Haaren und der goldenen Tröte ist ein gläubiger Mensch. Sie ist unter anderem Lektorin in der Kirche.

Foto: Michaela Winkels

Wo "Attacke" draufsteht, ist auch Karin Raimondi drin. Wer Schunkel- und Stimmungslieder von der karnevalistischen Frohnatur erwartet, deren Künstlername "Attacke" und deren Markenzeichen die Tröte ist, der wird von ihrer neuen CD nicht enttäuscht werden. Und dennoch ist etwas anders. Allein der Titel "Im Himmel is et schöner" lässt aufhorchen, wird doch sonst im Schlager und Karneval so gerne über "Hölle, Hölle, Hölle" gesungen. Karin Raimondi hält dagegen. Ihr neues Lied erinnere an das sechste Gebot, sagt die Twistedenerin. Mit ihrem Text wendet sie sich gegen Ehebruch, Macht und Geld. "Mein Herz schlägt in einem anderen Takt, weil es mir dann besser geht", schallt es aus den Lautsprechern, sobald die Play-Taste am Abspielgerät gedrückt ist. Der Text spricht ihr aus dem Herzen. "Ich bin ein sehr gläubiger Mensch", gibt sie zu. Sie ist Lektorin in der Kirche. Außerdem wolle sie mit alten Vorurteilen aufräumen. "Es tut mir weh, dass Karnevalisten so oft in eine Ecke gestellt werden", sagt Raimondi und meint damit "Rumknutschen und Saufen". Genau so sieht sie die fünfte Jahreszeit aber nicht. "Mein Mann hätte ja sonst Herzrasen haben müssen, wenn ich im Karneval unterwegs bin", sagt "Attacke". Seit 20 Jahren ist sie unterwegs. Für sie als Karnevalistin sei es das Größte, anderen Menschen Freude zu schenken. Darin sieht sie den Sinn von Karneval. Sie tritt unter anderem bei Haus Freudenberg und der Lebenshilfe auf.

In Düsseldorf ist sie im vergangenen Jahr für ihr Engagement ausgezeichnet worden. Sie zeigt die Urkunde für besondere Verdienste um die karnevalistische Brauchtumspflege mit der Unterschrift der Landtagespräsidentin. "Das war 'ne Nummer. Ich bin jetzt schon für mein Lebenswerk geehrt worden", sagt die 52-Jährige.

Die Anerkennung kam nicht über Nacht. "Die ersten Jahre bin ich in Twisteden ausgebuht worden. Ich war ja zugezogen", erinnert sie sich. "Und ich war anders, ich war laut mit meiner Tröte." Aber sie hielt an ihrem Versprechen fest: "Was ich mache, ist gut, ihr werdet es schon sehen." Wenn sie nun die karnevalistisch geschmückten Säle betritt, ist es anders. Die Leute kennen sie, nehmen sie auch als Frau im Karneval ernst.

Und zwar nicht nur am Niederrhein. Im vergangenen Jahr war sie in Berlin. Als sie "Hallo Berlin" in den Saal rief, schallte ihr ein "Hallo Attacke" zurück. Sie war erstaunt. "Die kannten mich und waren textsicher." Auf ihrer Fensterbank in ihrem Zuhause in Twisteden sitzt ein Teddybär mit einem rot-weiß geringeltem Schal, einem ihrer Erkennungsmerkmale neben der Tröte. Und dann sind da noch "die Mädels", der Attacke-Fanclub. Freundinnen, die ihr gerade am Anfang den Rücken stärkten, und sie ihnen. Sie erzählt von einer Freundin, von Sterbebegleitung. "Auch das gehört zum Karneval", sagt Karin Raimondi. Und der Karneval, der ist für sie mehr als nur ein bisschen Spaß haben. Sie leidet an Arthrose. Die Monate November bis Februar mit dem nasskalten Wetter sind besonders schlimm. Aber dann steige sie auf die Bühne, das sei Adrenalin pur, sagt die Twistedenerin und lächelt. "Attacke" ist eigentlich der Slogan für ihre Trötentöne, die an das Eintreffen der Kavallerie erinnern. Ein bisschen ist es aber auch ihr Motto, das Leben bei den Hörnern zu packen.

(RP)
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