Kevelaer Kevelaers letzte Putzmachermeisterin

Kevelaer · Von ehemals fünf Hutgeschäften ist nur noch "Hut & Mütze" von Anneliese Kerkhoff übrig. Die 75-Jährige arbeitet noch täglich in ihrer Meisterwerkstatt. Der Trend zur modischen Kopfbedeckung ist bei jungen Leuten wieder da.

 Anneliese Kerkhoff hat einen besonders außergewöhnlichen Beruf: Sie ist inzwischen die letzte Hutmacherin am gesamten Niederrhein.

Anneliese Kerkhoff hat einen besonders außergewöhnlichen Beruf: Sie ist inzwischen die letzte Hutmacherin am gesamten Niederrhein.

Foto: Anneliese Kerkhoff

Es gluckert, und Dampf steigt aus dem silbergrauen Gerät auf. Der Dampfapparat ist Arbeitswerkzeug von Anneliese Kerkhoff. "Damit bringe ich Hüte in Form", sagt die 75-Jährige. In ihrer Werkstatt von "Hut & Mütze" in Kevelaer ist sie noch täglich. "Es ist immer etwas zu machen", sagt sie.

Stolz zeigt sie ihr Werk: Einen breitkrempigen, blauen Hut mit Leopardenmuster und bearbeiteten Hühnerfedern. Das ist der Hingucker fürs Schaufenster.

"Die Standardsachen kaufe ich ein. Ich mache lieber die schönen, kreativen Hüte", sagt die Putzmachermeisterin. In der Werkstatt stapeln sich im Regal die verschiedenen Holzformen. Rohlinge aus Kaninchenhaar kauft sie heute meistens in Frankreich. "Früher gab es das auch in Deutschland", sagt sie. Damals, als sie mit der Lehre anfing, gab es in Kevelaer auch noch fünf Hutgeschäfte. "Ich bin übrig geblieben", sagt sie schmunzelnd.

Ihre Kunden kommen von überall her. "Kevelaer hat durch die Pilger ein großes Einzugsgebiet", so die Modistin. "Viele Sachen verkaufe ich auch nach England." Wie die Kunden in die Marienstadt kommen? "Wir haben ja Ryanair", sagt Anneliese Kerkhoff. Viele nutzen einen Zwischenstopp, um dem Geschäft in der Hauptstraße einen Besuch abzustatten.

Zurzeit ist im Geschäft aufgrund der Witterung noch alles auf Winter eingestellt. "Hüte sind funktionell", erklärt die Fachfrau. Über den Kopf gehe viel Körperwärme verloren. Für jeden Kopf hat sie die richtige Lösung, ob Schieber oder Fellmütze, die Auswahl ist riesig. Für den Sommer gibt es Panama-Hüte.

Sie schwärmt von den Filmen der 1920er und 1930er Jahre, als Hüte noch selbstverständlich waren. Auch nach dem Krieg war das so. "Aus alten Hüten wurden neue gemacht. Mit einem Hut hatten die Menschen sofort ein neues Outfit. Für einen warmen Mantel mussten sie ein ganzes Jahr sparen."

Heute sind es meistens Leute aus der Großstadt, aus Duisburg, Krefeld oder auch Düsseldorf, die sich bei ihr einen neuen Hut kaufen. Dabei lohnt sich die Anschaffung. "Gute Hüte halten ein Leben lang", sagt die Expertin und hält einen Borsalino in der Hand. "Das ist der Rolls-Royce unter den Hüten." Im Unterschied zu früher gebe es heute aber viel mehr Formen und Farben. Beratung sei da total wichtig. "Es ist furchtbar, wenn jemand einen Hut aufhat, der nicht zu ihm passt", sagt die Modistin, die ihren Beruf als Liebhaberei bezeichnet.

Nicht jedem steht eben der typische Udo-Lindenberg-Hut oder der Trilby-Hut à la Roger Cicero. Sehr wichtig seien solche prominente Werbeträger, verrät die Kevelaerin. Seit Herzogin Kate wird der Mini-Hut "Fascinator" gerne auf Hochzeiten getragen. "Leute, die Hüte tragen, sind nett", stellt Kerkhoff nach vielen Jahren Berufserfahrung fest. Jungen Männer und Frauen haben die modische Kopfbedeckung wieder für sich entdeckt.

"Es muss ja nicht immer ein Hut sein", sagt die Modistin und lächelt. "Wir haben auch Mützen." Und wie die richtig getragen werden, ohne die Frisur zu ruinieren, verrät Kerkhoff ihren Kunden auch noch.

(bimo)
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