Kreis Kleve Knall und weg

Kreis Kleve · Die Zahl von Verkehrsunfallfluchten ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Die Hälfte der Fälle im Kreis wird nicht aufgeklärt. Und: Alle drei Tage verschwindet jemand vom Ort des Geschehens, obwohl es beim Unfall Verletzte gab.

Die Zahl ließ aufhorchen, als die Kreispolizei sie bei der Unfallstatistik vorstellte: 1786 Mal haben sich im vergangenen Jahr Verkehrsteilnehmer von einem Unfallort entfernt, ohne sich um den entstandenen Schaden zu kümmern - durchschnittlich also fast fünfmal am Tag. Das sind über 200 gemeldete Fälle mehr als im Vorjahr - ein Plus von fast 14 Prozent. Nirgendwo sonst in der Statistik lassen sich solche nach oben schnellenden Zahlen finden. Aufgeklärt werden kann knapp jeder zweite Fall, die Quote beträgt 48,7 Prozent. Zum Einsatz kommen dafür bei der Polizei Spurensicherungsfolien, aber auch Zeugen werden angehört und Aufrufe in den Medien gestartet.

117 Mal - also im Durchschnitt alle drei Tage - sind Verkehrsteilnehmer im vergangenen Jahr vom Ort des Geschehens verschwunden, obwohl es Verletzte bei dem verursachten Unfall gab. In diesen Fällen ist die Aufklärungsquote aber deutlich höher, sie liegt Polizeiangaben zufolge mit 76 Prozent spürbar über dem Landesschnitt. "Häufig sind es bei solchen Fällen Kinder, die verunglücken", sagt Polizeisprecher Achim Jaspers.

Ein ganz typischer Fall ist der vom 14. November vergangenen Jahres am Ostwall in Geldern. Beim Rechtsabbiegen stieß ein Mann in einem Geländewagen mit einem zwölfjährigen Mädchen zusammen, das dort mit dem Fahrrad unterwegs war. Der Mann stieg kurz aus und sprach mit dem Kind, stieg dann aber wieder ein und fuhr davon. Das Mädchen habe damals offensichtlich unter Schock gestanden, heißt es von der Polizei. Es erlitt Verletzungen am Fuß. "Manchmal sagen Kinder sogar, dass ihnen nichts fehlen würde", sagt Achim Jaspers. Oftmals stünden sie unter Schock, wollen nur weg vom Unfallort. "Vor allem Kindern gegenüber hat man als Erwachsener aber eine besondere Verpflichtung", sagt Jaspers. Daher solle man in solchen Fällen die Polizei verständigen. Der gelang es beim Fall in Geldern übrigens durch einen öffentlichen Aufruf, den Unfallfahrer zu ermitteln.

Handfeste Beweise dafür, warum die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr so nach oben geklettert sind, gibt es laut Polizei nicht. "Man spürt aber, dass die Sensibilität in der Bevölkerung zugenommen hat", sagt Jaspers. Während früher eher nicht jeder Kratzer zur Anzeige gebracht wurde - und Teile wie Stoßstangen auch noch nicht lackiert und daher unempfindlicher für Kratzer und ähnliche Schäden waren - kommen die Autofahrer heute häufiger zur Polizei. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass einige Verkehrsteilnehmer die "Klassiker" unter den Unfallfluchten wie abgefahrene Seitenspiegel oder Lackschaden beim Ausparken vor dem Supermarkt immer noch als Kavaliersdelikt betrachten. "Dabei ist das eine Straftat", sagt Jaspers. Die werde üblicherweise mit zwei Punkten in der Verkehrssünderkartei und einer Geldstrafe belegt. Bei besonders schweren Fällen droht außerdem der (zeitweise) Führerscheinverlust.

"Verursacher sind manchmal deutlich weniger kritisch, was das Ausmaß von Schäden an fremden Fahrzeugen angeht, als wenn es sich um ihr eigenes Fahrzeug handeln würde", sagt Jaspers. Dabei seien Kostenvoranschläge von Werkstätten selbst bei kleineren Schäden selten nur dreistellig. Im übrigen reiche auch nicht aus, einen Zettel unter den Scheibenwischer zu klemmen, wie der Polizeisprecher sagt. Hat man etwa ein stehendes Auto angefahren, müsse man eine angemessene Wartefrist einhalten, um dem Besitzer des Fahrzeugs die Möglichkeit geben, zurückzukommen.

Was angemessen ist, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein, mindestens eine Viertelstunde sollte man aber warten. Ist der Autobesitzer bis dann nicht aufgetaucht, führt kein Weg daran vorbei, umgehend die Polizei zu informieren.

(lukra)
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