Kevelaer Milch wird jetzt zu Gülle

Kevelaer · Auch in Kevelaer und Weeze entscheiden immer mehr Landwirte, sich am Milchboykott zu beteiligen. Da werden auf vielen Höfen Tausende Liter des Lebensmittels vernichtet, um die Preispolitik zu beeinflussen.

kevelaer / weeze Gestern ist der große Lastwagen der belgischen Molkerei noch auf den Hof gerollt und hat die Milch von zwei Tagen abgerollt. 4000 Liter kommen zusammen, wenn 80 Milchkühe zwei Tage lang gemolken werden. Ob das Fahrzeug auch morgen wieder kommt, hängt davon ab, wie sich das Ehepaar Mott heute Vormittag entscheidet: „Bisher hatten wir uns am Boykott nicht beteiligt, aber wir überlegen, uns jetzt doch noch anzuschließen. Schließlich können die Milchbauern nur etwas bewirken, wenn sie an einem Strang ziehen – man muss es sich nur leisten können“, sagt Marianne Mott.

Wie der Kevelaerer Familie geht es in diesen Tagen Vielen: „Wir müssen von der Landwirtschaft leben. Berufskollegen, die viel investiert haben und die Bank im Nacken spüren, können auf das Milchentgelt nicht unbedingt verzichten. Wir selbst können den Zustand eine kurze Weile mal tragen, aber dann muss etwas passieren.“ Die Kevelaererin hat eine kaufmännische Ausbildung, worüber ihr Mann sehr froh ist, sonst müsste er sich auch noch die Buchführung einkaufen.

„Für Interessen kämpfen“

Berufskollege Ludger Bröcheler will sich dem Streik anschließen. „Ich gehöre zwar nicht dem Bund deutscher Milchviehhalter (BdM) an, aber ich kann nicht nur andere für meine Interessen kämpfen lassen. Zunächst mal für vier Tage lasse ich unsere Milch in den Güllekeller fließen, so weh es mir tut.“ Die Milchsäurebakterien verbinden sich dort mit den Exkrementen des Viehs und werden später als Dünger auf die Feldern gebracht. Der 33-Jährige hat noch viele Berufsjahre vor sich, möchte der Familie, zu der zwei kleine Kinder gehören, den Betrieb erhalten. „Unsere Produktionskosten steigen ständig. Um keinen Verlust zu machen, müssten wir mindestens 33 Cent pro Liter bekommen, wir kriegen aber trotz gestiegener Kosten für Futter, Dünger und Energie nur 30 Cent.“ Wie seine Kollegen erwartet Bröcheler, dass die Molkereien hart mit den Lebensmittelkonzernen verhandeln, damit das wertvolle Lebensmittel bei den Discountern nicht mehr verschleudert wird. Heinz Lax, der Vorsitzende des Kreisverbands der Landwirte, nimmt heute an einer Sitzung des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes in Bonn teil. „Obwohl der Milchboykott nicht auf der Tagesordnung steht, wird er sicherlich Thema sein.“

Lax betont außerdem, dass jeder Unternehmer selbst entscheiden müsse, was er mit der Milch tue. Er rechnet mit der Empfehlung des Bundes deutscher Milchviehhalter, sich dem Boykott anzuschließen. Lax selbst ist Schweinehalter, also nicht direkt betroffen. „Wir können unsere Solidarität nur in Worten bekunden.“ Davon abgesehen, leide unter schlechten Preisen und dem Hang der Verbraucher, nur nach dem billigsten Preis zu gucken, natürlich auch sein Landwirtschafszweig.

(RP)
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