Kevelaer Pichler nimmt Abschied vom Gericht

Kevelaer · Kevelaers angehender Bürgermeister legt jetzt die Robe des Strafverteidigers ab. Sein neuer Arbeitsplatz ist das Rathaus. Die RP begleitete den Sensationssieger der Wahl, Dr. Dominik Pichler, noch einmal ins Justizgebäude.

 Rund zehn Jahre war Dominik Pichler im Gerichtssaal zu Hause, jetzt wechselt er als Bürgermeister ins Rathaus Kevelaer.

Rund zehn Jahre war Dominik Pichler im Gerichtssaal zu Hause, jetzt wechselt er als Bürgermeister ins Rathaus Kevelaer.

Foto: Markus van Offern

Als Dominik Pichler vor dem Gericht wartet, wird er von einem ehemaligen Mandanten angesprochen. Ob er ihn wieder verteidigen könnte, fragt der und staunt, als der Jurist ihm sagt, dass er bald nicht mehr Anwalt, sondern Bürgermeister ist. Ähnlich geht es Pichler selbst, wie er auf dem Weg nach oben in den Sitzungssaal erzählt. "Auch ich staune immer wieder, dass ich tatsächlich die Wahl gewonnen habe." Natürlich wolle man gewinnen, wenn man antrete. Aber Chancen haben ihm wenige ausgerechnet. Wer wählt schon in Kevelaer einen langhaarigen Strafverteidiger?

Genau das war Pichler mit Leib und Seele. Wie oft er schon hier oben im großen Sitzungssaal war, weiß er nicht. In seiner ersten Verhandlung ging es damals um eine Sache mit Einfuhr von Drogen. "Der Klassiker, ähnliche Verfahren haben mich die ganze Zeit über immer wieder begleitet", erzählt der 39-Jährige. Sein letzter Fall war dagegen recht kurios. Es ging um Betrug mit Geldwäsche der besonderen Art. Ein Mann sollte 80.000 Euro für eine Tinktur bezahlen, mit der angeblich verunreinigtes Geld aus nicht ganz sauberen Geschäften gereinigt werden könnte.

Zwischen diesen Fällen lagen rund zehn Jahre in verschiedensten Gerichtssälen. Mit spektakulären Strafsachen, die überregional Schlagzeilen machten. Das Verfahren auf der Schwanenburg etwa, bei dem Pichlers Mandant den Weg zur Toilette zur Flucht durch das Fenster nutzte. Oder der doppelte Auftragsmord beim Landgericht Düsseldorf: Ein Mann hatte einen jungen Drogenabhängigen angeheuert, seinen Stiefvater und die Halbschwester zu töten, um an das Erbe zu kommen. Die Beweise waren so erdrückend, dass der Angeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. "Zaubern kann auch ein Anwalt nicht", sagt Pichler.

Wenn Pichler von diesen Verfahren erzählt, dann ist zu spüren, dass ihn diese Welt fasziniert hat. Immer noch fasziniert. Nicht umsonst wird er in der Focus-Liste der besten Strafverteidiger geführt. Warum dann jetzt der Wechsel ins Rathaus? Nach zehn Jahren sei es auch Zeit, mal etwas Neues zu machen. Daher habe er sich nach intensiven Gesprächen mit seiner Frau dazu entschieden, gegen Axel Stibi anzutreten. Auch um dem Wähler in Kevelaer eine Alternative zu bieten. "Das war wie St. Pauli gegen Bayern München. Um zu gewinnen, muss alles passen." Das hat es wohl. Offenbar ging mancher CDU-Anhänger nicht zur Wahl, weil er glaubte, Pichler habe ohnehin keine Chance. Dann fiel Stibi auch noch die Debatte über die Ladenöffnungszeiten vor die Füße, obwohl er hier nur geltendes Recht umsetzte. "Woran es letztlich gelegen hat, das ist wohl ein Fall für Wahlforscher", sagt Pichler.

Was wird ihm aus seiner Zeit als Strafverteidiger im Rathaus helfen? "Auch dort wird es nötig sein, dass ich mich mit meinen Auffassungen behaupten muss." Dialog wird ganz wichtig sein, das weiß Pichler. Denn die stärkste Fraktion im Rat ist weiterhin die CDU. Da muss sich der Bürgermeister die Mehrheiten suchen. "Ich weiß, dass der SPD-Dogmatiker im Schrank bleiben muss, es geht nur über Sachargumente." Pichler hofft, dass auch die CDU an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert ist. Axel Stibi sei das auf jeden Fall. "Ihm ist eine ordentliche Amtsübergabe sehr wichtig, daher hat er sich schon zweimal mit mir zusammengesetzt, um das ein oder andere zu erklären. Das ist ein schönes Zeichen", sagt Pichler.

Nach dem Pressetermin geht Pichler nicht sofort. Er will sich im Gericht verabschieden. "Das gehört sich so", hat er vorher gesagt. Schließlich habe er viele Jahre hier verbracht. Da geht man nicht, ohne "Auf Wiedersehen" zu sagen.

(zel)
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