Kevelaer Seit 60 Jahren als Seelsorger aktiv

Kevelaer · Wilhelm Kanders feiert in Winnekendonk diamantenes Priesterjubiläum. Die heutige Messe um 17 Uhr wird er in St. Urbanus selber zelebrieren, wenn auch im Rollstuhl. In seinem Lebensrückblick schlägt er viele wichtige Kapitel auf.

 Heute ist der große Tag für Wilhelm Kanders. Er feiert sein Diamantenes Priesterjubiläum.

Heute ist der große Tag für Wilhelm Kanders. Er feiert sein Diamantenes Priesterjubiläum.

Foto: Seybert

An seinem Klingelschild steht nicht nur sein Name, sondern auch der kleine Zusatz "em.". Denn eigentlich ist Wilhelm Kanders mit seinen 86 Jahren "Geistlicher im Ruhestand". Eigentlich, denn bis kurz vor Weihnachten versah er noch seinen Dienst in St. Urbanus Winnekendonk. Entschuldigend weist Kanders auf seine beiden neuen Fahrzeuge, die im Wohnzimmer geparkt sind. Ein Rollator und ein Rollstuhl. Ein Oberschenkelhalsbruch macht sie erforderlich. Der Rollstuhl kommt heute zum Einsatz, wenn Kanders um 17 Uhr die Messe zelebriert. Er wolle auf Nummer sicher gehen, sagt er mit Blick auf das Gefährt. Die Messe in St. Urbanus Winnekendonk wird anlässlich seines Diamantenen Priesterjubiläums gefeiert. 60 Jahre ist es her, dass Kanders sich für ein zölibatäres Leben für Gott und die katholische Kirche entschieden hat.

Die Geschichte hat er schon viele Male erzählt, immer wenn er eine neue Stelle angetreten hat. Er sei ein ganz kleiner Messdiener gewesen, beginnt seine Schilderung, die in der Schweiz spielt. In der Sonsbecker Schweiz, wie Kanders betont. Gedient hat er in der Kapelle St. Gerebernus. Als er im dritten Schuljahr war, hieß das morgens um sechs Uhr. "Des Messdieners Pünktlichkeit ist drei Minuten vor der Zeit", reimt er. Die drei Kilometer von zu Hause bis zur Kapelle mussten morgens im Dunklen auch noch auf sich genommen werden. Als Bürde hat Kanders das aber nie empfunden. Nie hatte er Angst gehabt, in der pechschwarzen Nacht, auf mehr oder weniger vorhandenen Wegen, dorthin zu kommen. Imponiert habe ihm auch der junge Geistliche, den die Gemeinde damals hatte. "Ein wirklich feiner Mann", sagt Kanders.

Auch seine Eltern, vor allem seine Mutter, waren vielleicht nicht ganz unschuldig an der Entscheidung. "Meine Mutter hatte das Herz auf der Zunge, auch in religiösen Dingen", sagt der Geistliche. Er schmunzelt. "Davon werde ich es wohl haben." Er erzählt die Begebenheit, als seine Mutter in der Zeit der Nationalsozialisten zum Bürgermeister gerufen wurde. Sie bekam das goldene Mutterkreuz. Zu Hause reichte sie es im Kreis der Familie herum und warf es danach in den Ofen. Etwas mit Hakenkreuz wollte sie nicht haben. Dem Bürgermeister sagte sie noch, dass ihr das Kreuz, welches sie zur Kommunion bekommen hatte, lieber sei. Zivilcourage würde man heute dazu sagen. Kanders braucht nur diese Geschichte zu erzählen, ganz wertungsfrei.

Er sitzt an einem kleinen Schreibtisch. Hinter ihm hängt eingerahmt der Liedvers von Dietrich Bonhoeffer: "Von guten Mächten wunderbar geborgen." Nicht weit davon entfernt ist ein Foto von der katholischen Kirche St. Urbanus Winnekendonk angebracht. Darauf angesprochen, dass Bonhoeffer kein Katholik war, lacht Kanders. "Es gibt auch gute Evangelische. Da habe ich keine Schwierigkeiten mit", sagt er, und er meint es so.

Vor sich, unter der hellen Leselampe, liegt ein Buch aufgeschlagen. Es sieht gut benutzt aus. "Mein Brevier", erklärt Kanders. "Der katholische Priester ist verpflichtet, tagtäglich sein Brevier-Gebet zu beten. Das Gebet ist ja die lebendige Verbindung zu Gott, das mus man so sehen", erklärt Kanders. "Übertragen wir das mal auf die menschliche Ebene. Wenn ich einen guten Freund habe, vernachlässige den und habe keinen Kontakt mehr, dann muss die Freundschaft ja zugrunde gehen." Vor 60 Jahren hat Kanders diese Freundschaft zu Gott für alle sichtbar in Münster fest gemacht. Nach Bocholt und Oelde war Kanders 30 Jahre Pfarrer von St. Nikolaus in Rheurdt. Im Dezember ist er nun schon 20 Jahre in Winnekendonk. "Mein Bestreben ist es, wieder dahin zu kommen, wo ich aufgehört habe", sagt der Geistliche. Er meint die Zeit vor seinem Sturz.

Der Jubilar möchte wieder mehr aktiv am Gemeindeleben teilnehmen. Bis dahin lohnt es, sich ein Quäntchen Zeit, oder ein bisschen mehr, zu nehmen, ihm zuzuhören. Mit ihm taucht das Gegenüber in die Zeitgeschichte ein, auch in die der katholischen Kirche am Niederrhein. Kanders' Weggefährten waren unter anderem Richard Schulte-Staade und Bischof Reinhard Lettmann.

(RP)
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