Kevelaer Unfallflucht-Aufklärung mit Spezial-Folie

Kevelaer · Seit Jahren klärt die Polizei im Kreis Kleve Unfallfluchten mit einer Spurensicherungsmethode auf, die der Gocher Jochen Lehmkuhl mitentwickelt hat. Trotz der Erfolge haben andere Polizeibehörden aber immer noch Bedenken.

Immer mehr Verkehrsteilnehmer in NRW - und damit auch im Gelderland - entfernen sich unerlaubt von einem Unfallort. Laut neuesten statistischen Angaben aus dem Innenministerium gab es im vergangenen Jahr 119 750 Fälle von Fahrerflucht im Land - der höchste Stand seit fünf Jahren.

Fahrerflucht ist eine Straftat und kann hart bestraft werden - von einer Geldstrafe über den Führerscheinentzug bis hin zu einer Haftstrafe. Überführte Unfallflüchtige sind vorbestraft. Das Vergehen wird laut einem Sprecher des NRW-Innenministeriums "akribisch" verfolgt. Dennoch liegt die Aufklärungsquote im Landesdurchschnitt lediglich bei etwa 45 Prozent.

Gar unter 40 Prozent lag vor etwa fünf Jahren die Aufklärungsquote in Fällen von Verkehrsunfallflucht im Kreis Kleve. "Damit waren wir ganz weit hinten in der NRW-Statistik", sagt Polizeihauptkommissar Karlheinz Willems (53), der seither zusammen mit vier Kollegen im Kleverland die Ermittlungskommission "Unfallflucht" bildet. Inzwischen liegt die Aufklärungsquote bei Unfallfluchten im Kreis bei etwa 50 Prozent - und damit steht der Kreis Kleve im NRW-Vergleich nun weit oben.

Zurückzuführen sind die Ermittlungserfolge der Polizei nach Einschätzung von Willems vor allem auf die Spurfix-Folie, mit der feinste Spuren wie Lackpartikel an Fahrzeugen sichergestellt und anschließend von dafür geschulten Beamten mit einem speziellen Mikroskop rasch ausgewertet werden können. Die Idee, Unfallfluchtspuren mit der preiswerten Folie zu sichern, hatte der Gocher Kfz-Sachverständige Jochen Lehmkuhl. Drei Jahre experimentierte der Experte mit verschiedensten Folien im "stillen Kämmerlein". Dann konnte er die Polizei im Kreis Kleve überzeugen, auf die Folie zu setzen. Inzwischen sind auch andere Polizeibehörden in NRW von der Folie überzeugt.

Das Landeskriminalamt in NRW hegt jedoch immer noch Bedenken gegen die Spurfix-Folie und empfiehlt als Sicherungspraxis von Lackspuren das Abschaben oder Abkratzen. Auch in den meisten anderen Bundesländern traut die Polizei der Spurfix-Folie nicht. Dabei steht für Polizeihauptkommissar Karlheinz Willems fest: "Die Folie ist einfach perfekt."

Auch der Klever Oberamtsanwalt Norbert Artz, der Verfahren wegen Unfallfluchten bei der Klever Staatsanwaltschaft führt, sagt: "Der Einsatz der Spurfix-Folie ist sehr sinnvoll. Die Spurensicherung mit ihr ist sehr aussagekräftig." Doch neben den Sachbeweisen wie der Spurensicherung mittels der Spurfix-Folie spielen in vielen Ermittlungsverfahren auch Zeugenaussagen eine Rolle. "Zeugenaussagen wird vor Gericht zu viel Gewicht eingeräumt", kritisiert der Sachverständige Jochen Lehmkuhl. Nicht selten komme jemand durch Zeugenaussagen in falschen Verdacht, so dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde, das oft Kosten für den Verdächtigen - Anwaltshonorar - nach sich ziehe. Auch der Polizeihauptkommissar meint: "Die Justiz misst den Personalbeweisen immer noch großen Wert bei." Oft gebe es von mehreren Zeugen aber sehr unterschiedliche Aussagen. Die Spurfix-Folie könne man hingegen zwar falsch auswerten, doch lügen könne dieser Sachbeweis nicht.

Auf die Frage, warum die Spurfix-Folie sich bundesweit bei der Ermittlung von Unfallfluchten nicht durchsetze, haben weder der Sachverständige Jochen Lehmkuhl noch Polizeihauptkommissar Willems eine für sie nachvollziehbare Antwort. Der Sachverständige räumt ein, dass die Spurfix-Folie selbst einigen Gutachtern noch nicht bekannt sei. Willems ist aber sicher: "Wenn die Anwälte von den Ermittlungsmöglichkeiten der Folie wissen, wird man an ihrem Einsatz nicht vorbeikommen."

Der Leiter einer Landespolizeischule in NRW hat Jochen Lehmkuhl mal versichert, die Spurfix-Folie werde bald auf einer Stufe mit Fingerabdruck und genetischem Material stehen. Doch aus Polizei- und Justizkreisen ist ebenso zu hören: Bei Ermittlungen müsse in Anbetracht des Aufwandes berücksichtigt werden, ob es sich um einen Mord, einen Einbruch oder eben (nur) um eine Unfallflucht handele.

(RP)
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